018 - Schrei, wenn der Werwolf kommt!
tiefen Fauteuil und las interessiert in einem Buch, das die Sage der Werwölfe behandelte.
Während er las, bemächtigte sich seiner ein seltsames Gefühl.
Zuerst konnte er sich die innere Unruhe nicht erklären.
Er verlor die Lust am Lesen und legte das Buch weg.
Was war mit ihm? Er fühlte sich plötzlich nicht wohl.
Irgendetwas zwang ihn, aufzustehen. Er erhob sich fast mechanisch. Er trank den Whisky aus und stand unschlüssig im Livingroom.
Langsam wanderte sein Blick zur Decke. Er wollte nicht zur Decke sehen. Er musste.
Unwillkürlich fiel sein Blick auf den Lüster. Seine Augen turnten weiter nach oben und fixierten den festen Haken, an dem der Beleuchtungskörper hing.
Sein Gesicht wurde fahl.
Er schaltete geistig vollkommen ab.
Mechanisch und ohne Eile fädelte er seinen schmalen Ledergürtel aus den Hosenschlaufen, ohne dass er den Blick von dem Haken wandte. Das Ding schien ihn zu faszinieren.
Mit dem Ledergürtel in der Hand, stellte er sich unter den Lüster.
Er schob einen Tisch darunter und stieg hinauf. Mit flinken Fingern knüpfte er den Gürtel an den Haken.
Ebenso geschickt machte er am anderen Ende des Gürtels eine Schlinge, durch die er den Kopf ohne die geringste Gemütsbewegung steckte.
Sein Gesicht war ernst, doch die Miene wirkte nicht unglücklich. Sie wirkte lediglich gleichgültig.
Er wollte sterben. Irgendeine unheimliche Macht zwang ihn, sich aufzuhängen.
Als er vom Tisch springen wollte, schrie jemand seinen Namen.
Er zuckte erschrocken zusammen...
***
Candice Burke betrat Delmer Woods Arbeitszimmer. Wood saß mit abgespannten Zügen hinter seinem Schreibtisch.
Er sah müde auf, als seine Sekretärin eintrat.
»Ich bringe die beiden Briefe zur Post, Mr. Wood«, sagte das Mädchen. »Haben Sie sonst noch etwas zu erledigen?«
Wood schüttelte den Kopf. Das Licht der Schreibtischlampe warf tiefe Schatten in sein Gesicht.
»Nein, danke, Miß Burke«, sagte er mit brüchiger Stimme.
Candice wandte sich mit wiegenden Hüften um und wollte die Tür hinter sich lautlos schließen.
»Oder doch!« rief Delmer Wood ihr nach.
Sie trat noch einmal ein.
»Ich möchte mit Mr. Cool reden. Bitte, stellen Sie noch rasch die Verbindung her, bevor Sie gehen.«
Candice nickte. »Einen Augenblick.«
Sie trat an Woods Schreibtisch, drehte das rote Telefon herum und nahm den Hörer ab.
Während sie wählte, läutete das grüne Telefon.
Wood hob selbst ab.
Dann meldete er sich mit seinem Namen.
»Ich bin es, Elga!« sagte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
Woods müde Züge hellten sich etwas auf. »Elga«, sagte er erfreut.
»Ich wollte nur mal fragen, ob es dir gutgeht, Delmer. Ich hoffe, du findest meinen Anruf nicht aufdringlich, schließlich sind wir ja ...«
»Aber nein. Nein. Ganz und gar nicht«, fiel ihr Delmer Wood ins Wort. Es tat ihm gut, dass seine geschiedene Frau sich um ihn Sorgen machte. »Es freut mich, dass du anrufst, Elga«, sagte er gerührt. »Es freut mich ehrlich, dass du dich dazu überwinden konntest — nach alldem, was ich dir angetan habe.«
Elga Blakely lachte ein wenig verlegen. »Das ist doch längst vorbei, Delmer. Es zählt nicht mehr ... Wie geht es dir?«
Wood fuhr sich mit der Hand über die müden Augen. »Nicht besonders. Ich arbeite Tag und Nacht, um nicht... daran zu denken. Ich glaube, wir sollten uns wieder mal zusammensetzen und von alten Zeiten plaudern, Elga. Nicht von den hässlichen natürlich. Es hat auch schöne Zeiten gegeben.«
»Wir haben beide unsere Fehler gemacht, Delmer«, sagte die Frau.
Wood zwang sich, zu sagen, was sein Herz schon seit langem bedrückte.
»Ich würde diese Fehler nicht mehr machen, Elga.«
Am anderen Ende blieb es still.
»Elga!« sagte Wood besorgt. »Bist du noch da?«
»Ja, Delmer. Ich bin noch dran.«
»Elga, ich ...«
»Ich weiß, was du sagen willst, Delmer. Bitte sprich es nicht aus. Nicht jetzt. Nicht so kurz nach Marjories tragischem Tod. Es ist nicht die Zeit dafür.«
Wood nickte langsam. »Ja. Ja, ich glaube, du hast Recht, Elga.«
»Darf ich morgen zu dir kommen?«
»Ich würde mich freuen.«
»Also, dann bis morgen«, sagte Elga Blakely und legte auf.
»Bis morgen«, sagte Wood verträumt und nahm den Hörer langsam vom Ohr.
Er hatte viele Fehler in seinem Leben gemacht. Doch der größte von allen war die Scheidung von dieser wunderbaren Frau gewesen.
Er hatte lange nichts von ihr gehört.
Vielleicht führte sie Marjories Tod wieder zusammen.
Er
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