0181 - Gefangen in Zentral-City
ihren Artgenossen verständlich machen, das steht fest." Wenn Atlan über den dämmrigen Weg zu der bewegungslosen Pflanze hinübersah, erschien ihm Noirs Behauptung reiner Unsinn, aber der Hypno war kein Mann, der aus einem bloßen Verdacht heraus etwas behauptete. Noir schien gerade diese Verständigungsmöglichkeit der Drenhols untereinander zu seinen Zwecken ausnutzen zu wollen.
„Nehmen wir an, daß Sie recht haben", sagte Atlan ruhig. „Was haben Sie mit Ihrem Opfer vor?" Noir grinste jetzt.
„Das Pflänzchen wird zu unserem Dolmetscher ernannt", erklärte Noir. „Es wird uns helfen, mit seinen Artgenossen in einer zwar umständlichen, aber doch gut funktionierenden Verbindung zu bleiben. Vor allem werden wir dadurch alle Angriffe dieser Bäume verhindern können."
„Das ist aber noch nicht alles", vermutete Atlan.
„Keineswegs. Wir haben jetzt eine Transportmöglichkeit und ein relativ sicheres Versteck, wo uns die Plophoser nicht so schnell aufstöbern werden." Obwohl Noir nocht nicht gesagt hatte, wohin er sie führen wollte, begann Atlan zu ahnen, was dieser Mann für einen Plan ausgedacht hatte. Ein Plan, wie er nur im Gehirn eines Terraners entstehen konnte: tollkühn, unglaublich und verrückt.
Als hätte Noir seine Gedanken erraten, deutete er auf die Drenhol und sagte gelassen: „Der Baum wird uns aufnehmen." Sofort begann Bully zu protestieren. Sein Körper zeigte noch Spuren des blitzartigen Angriffes. Für ihn war es unfaßbar, daß Noir nun darauf bestand, daß er sich wieder in die Nähe des Monstrums wagen sollte. „Das ist alles Unsinn", sagte er mürrisch. „Von mir aus können Sie in den Wipfel des Baumes klettern, Andre - ich werde zu Fuß flüchten."
„Wer sagt, daß wir in den Ästen hocken sollen wie alte Krähen?" fragte Noir humorvoll. „Wir werden uns im Baum niederlassen."
„Ha, ha", machte Bully rauh. „Noir", mischte sich Atlan ein. „Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter. Die Plophoser können jeden Augenblick auftauchen, und Sie geben uns Rätsel zu lösen."
„Entschuldigen Sie, Sir", sagte der Mutant. „Im Innern des Riesen sind mehrere große Hohlräume, die im allgemeinen von Pflanzen bewohnt werden, die mit dem Baum in Symbiose leben."
„Die alten Mieter werden herausgeworfen und durch uns ersetzt", sagte Kasom trocken. „So ist es", bestätigte Noir. „Dann wird uns im Stamm des Baumes nichts mehr schaden können."
„Natürlich gehen Sie als erster", schlug Bully vor. Noir antwortete nicht, sondern setzte sich in Richtung auf die Drenhol in Bewegung. Er schien nicht die geringste Furcht zu haben. „Halten Sie ihn auf, Kasom", rief Bully aufgeregt. „Sehen Sie nicht, daß er Selbstmord begehen will."
„Warten Sie, Melbar!" fuhr Atlans Stimme dazwischen. „Warten Sie noch einen Augenblick." Sie sahen, daß Noir ungehindert immer näher an das Ungeheuer herankam. Kein Peitschenarm hob sich drohend, keine Wurzel kroch über den Boden. Die Drenhol schien sich nichts aus Noirs Anwesenheit zu machen. Der Mutant kletterte geschickt über die Wurzeln hinweg und erreichte schließlich den eigentlichen Stamm. Er winkte den anderen zu. Bully und Atlan sahen sich an. Kasom knurrte undeutlich. Wahrscheinlich hätten sie noch längere. Zeit gezögert, aber ein immer lauter werdendes Geräusch im Hintergrund gab den Ausschlag. „Die Plophoser!" zischte Atlan. Der Lärm der Verfolger war jetzt deut lich von den Geräuschen des Dschungels zu unterscheiden. Ein großer Trupp mußte sich durch den Dschungel arbeiten. Die Plophoser schienen den gleichen Drenhol-Weg zu benutzen, der auch die Flüchtlinge hierher geführt hatte. Auch Noir hörte den Lärm und wurde unruhig.
„Beeilt euch", rief er den drei Männern zu. „Der Baum ist jetzt völlig harmlos." Beinahe gleichzeitig rannten sie los. Vor ihnen zwängte sich Noir in großer Eile durch ein Astloch, dessen Durchmesser über einen Meter betrug. Sie sahen ihn im Innern des Baumes verschwinden. Die Drenhol reagierte überhaupt nicht. Trotz des eingeschalteten Mikrogravitators erreichte Kasom die Wurzeln zuerst. Dann hielt er plötzlich an. Sein Gesicht verfinsterte sich.
„Sir", sagte er hastig, „ich passe nicht durch dieses Mauseloch."
Zu seinem Entsetzen mußte Atlan feststellen, daß der Ertruser recht hatte. Für Kasom war es unmöglich, in den Baum zu gelangen – jedenfalls nicht von dieser Seite aus. „Auf der anderen Seite des Stammes sind bestimmt weitere Offnungen", sagte er.
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