0182 - Der Seelenfresser
beeilte sich, das Buch wieder zu schließen, bis das zweite Opfer auf dem Altartisch lag.
Unter der Decke schwang das Kugelpendel plötzlich in verändertem Rhythmus und teilte Creag Mhoir mit, daß der
Stein der Druiden, in gläsernem Schrein auf samtenem Tuch, wieder voll erstarkt war und verlangte, auf Merlins Stern und seinen Träger gerichtet zu werden.
»Ich eile«, keuchte Creag Mhoir und setzte sich in Bewegung. Alles in ihm brannte danach, mit dem Stein der Druiden diesen Zamorra in seine Gewalt zu holen und ihn als dritten dem Stein zu opfern…
***
Gryfs zweites Erwachen unterschied sich kaum vom ersteren, nur daß die Erinnerungsfragmente diesmal verzögerungsfrei in ihm aufkeimten. Neben den Geschehnissen bei den Steinen erinnerte er sich auch sofort wieder an den Grund, weshalb er abermals in die Bewußtlosigkeit gezwungen worden war. Der Versuch, seine Druidenkraft einzusetzen…
Gryf öffnete die Augen.
Wieder dauerte es eine Weile, bis sich seine Sicht klärte. Als sich die Konturen festigten, verfiel er nicht ein zweites Mal in den Fehler, die nähere Umgebung mittels seiner Extrasinne abzutasten. Der ziehende Schmerz, der dumpfe Druck in seinem Hinterkopf ließ ihn keine Sekunde vergessen, welche Folgen magische Aktivitäten nach sich ziehen mußten.
Gryf war klug genug, aus Fehlhandlungen zu lernen. Ob ihm dies hier weiterhalf, war allerdings fraglich.
Leer war der Raum und in düsteres Zwielicht gehüllt, in dem der Silbermond-Druide zu sich gekommen war! Etwas Unruhiges, ständig in zittriger Bewegung Befindliches erfüllte die besondere Atmosphäre um ihn herum. Es war nicht greifbar, eher Schemen- oder schattenhaft, aber es war existent, und es griff nach Gryf… !
Der Druide zuckte irritiert zusammen, als er die Berührung in ihrer ganzen Intensität verspürte.
Etwas berührte seine Seele!
Nicht sein Bewußtsein, sein Denken… seine Seele!
Gryf erschauerte unter dem Gefühls sturm, der durch das Fremde, Andere in ihm ausgelöst wurde.
Dann kam der Schmerz, der nicht körperlich war, sondern mit Klauenhänden an seiner Seele zerrte!
Angst essen Seele auf!
Irgendwo hatte er den Spruch einmal aufgeschnappt, ohne im Nachhinein noch zu wissen, bei welcher Gelegenheit.
Und Angst hatte er plötzlich!
Instinktive, tiefverwurzelte Angst!
Aber nicht sie war es, die seine Seele auffraß - das Zerren und Ziehen kam von etwas Fremden!
Etwas, das die Luft, die er atmete, erfüllte. Das ihn nebelhaft umtanzte und mit feinstofflichen Ausläufern, die für das unbewaffnete Auge nicht sichtbar waren, in sein Innerstes drang…
Der Schmerz steigerte sich immer stärker.
Gryf hatte den Eindruck, von glühenden Schwertern durchbohrt zu werden.
Seine Seele starb…
Merlin! schrie es in ihm. Hilf mir! Merlin…
***
Bei Tag, dachte Pyter Pitlochry seltsam berührt, sieht alles ganz anders aus, fast harmlos…
Aber er wußte, daß das friedliche Bild täuschte. Er wußte es mit derselben Sicherheit, die ihm sagte, daß er eines Tages sterben mußte!
Susan, drängte sich die Sorge um seine Freundin wieder in den Vordergrund, während er an der Seite seines sonderbaren Begleiters auf die Standing Stones zuschritt. Mehr als einmal hatte er sich auf dem Weg hierher dabei ertappt, daß er die Gesten, die Bewegungen und Reaktionen des Amulett-Trägers verstohlen studiert hatte. Den Mann umgab ein großes Geheimnis, das fühlte Pyter. Und gleichzeitig fühlte er, daß es ihm wohl kaum gelingen würde, dieses Geheimnis zu enträtseln. Der Fremde, der mit leichtem französischen Akzent sprach, war ihm unvertrauter als alle, die er bisher kennengelernt hatte. Buchstäblich unnahbar. Als gäbe es eine unsichtbare Barriere, die ihn von anderen Menschen trennte. Eine Kluft, die sich im psychischen Bereich auftat. Unüberwindlich.
Pyter war kein Psychologe, aber er traute sich eine gewisse Menschenkenntnis zu. Die versagte bei seinem Begleiter jedoch völlig.
»Das sind sie!« Pyter räusperte sich, als er merkte, daß seine Stimmbänder belegt waren. Innerlich ärgerte er sich über dieses erneute Zeichen seiner wachsenden Unsicherheit. Die Nähe des Fremden, gestand er sich ein, machte ihm stärker zu schaffen, als zunächst vermutet.
»Hier ist Ihre Freundin verschwunden?«
Irrte er sich, oder schwang in der Frage des Amulett-Trägers tatsächlich ein lauernder Unterton mit?
Pyter nickte. »Ja«, sagte er rauh.
»Schildern Sie mir noch einmal genau, wie sich alles zugetragen hat«, forderte
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