0183 - Das Knochenschiff
nicht.«
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte der Bürgermeister.
»Nicht ich brauche Ihre Hilfe, sondern Bexhill, Edward.«
»Wieso? Das verstehe ich nicht. Können Sie sich etwas klarer ausdrücken?«
»Dem Ort droht eine große Gefahr«, behauptete der Schriftsteller. »Es wäre besser, wenn das Sommerfest in diesem Jahr nicht stattfinden würde.«
Edward Newmans Brauen hoben sich. »Mein Lieber, das ist ein verdammt schlechter Scherz, den Sie da machen. Wissen Sie, wieviel Geld wir in die Vorbereitungen investiert haben? Wenn das Fest nicht zustande käme, wäre Bexhill bankrott.«
»Sie müssen das Fest trotzdem abblasen, Edward, sonst gibt es eine Katastrophe.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das Knochenschiff ist überfällig, Edward.«
Diese Bemerkung elektrisierte meine Freunde und mich. Wir hörten aufmerksamer als bisher zu.
»Von welchem Knochenschiff reden Sie?« fragte der Bürgermeister sauer.
»Ich habe in der vergangenen Nacht an den Vorbereitungen für mein neues Buch gearbeitet«, erzählte Andrew Sherman. »Es wird in dieser Gegend spielen, und da der historische Hintergrund stimmen muß, beschaffte ich mir eine Menge Unterlagen. Während des Studiums stieß ich auf den Begriff Knochenschiff. Ein Geisterschiff soll es sein. Besetzt mit grausamen Zombie-Piraten. Es kreuzte schon etliche Male vor unserer Küste, und zu Beginn dieses Sommers hätte es wieder auftauchen sollen.«
»Aber es ist nicht gekommen«, sagte der Bürgermeister, dem diese Geschichte absolut nicht gefiel.
»Nein, noch nicht.«
»Wir haben bereits September. Der Sommer dauert nicht mehr allzu lange.«
»Ich habe den Verdacht, daß die Besatzung des Knochenschiffes diesmal zuwartet.«
»Und weswegen?«
»Um tödlichere Ernte zu halten. Je mehr Menschen sich in Bexhill aufhalten, desto größer wird die Panik sein, wenn das Knochenschiff im Hafen einläuft.«
Edward Newman schüttelte unwillig den Kopf. »Also ich halte Sie zwar für einen seriösen Mann, Andrew, aber diese Story kaufe ich Ihnen nicht ab, sie ist mir zu phantastisch um nicht zu sagen zu verrückt. Müßte ich von der Existenz eines solchen Geisterschiffes denn nicht Kenntnis haben, wenn es Bexhill schon mal heimgesucht hat? Nichts davon steht in den Annalen unseres Orts.«
»Man hatte wahrscheinlich Angst, es niederzuschreiben.«
»Und woher haben Sie das Schriftstück, das Sie zitierten?«
»Ich fand es in einem Antiquariat, rein zufällig.«
»Glauben Sie mir, da hat sich jemand einen Jux gemacht, Andrew. Es gibt bestimmt kein Knochenschiff. Deshalb werde ich das Sommerfest planmäßig eröffnen.«
»Sie begehen einen schweren Fehler, Edward.«
»Was wollen Sie? Haben Sie die Absicht, Bexhill mit Ihrer verrückten Gruselgeschichte zu ruinieren?« herrschte der Bürgermeister den Schriftsteller an. »Ich bitte Sie in aller Freundschaft darum, zu keinem ein Wort darüber zu sagen, Andrew. Wir werden uns amüsieren, und das Knochenschiff wird unserem Hafen fernbleiben.«
Sherman zog die Brauen zusammen und knurrte trotzig: »Es wird kommen. Es läßt sich nicht fernhalten, indem man es einfach nicht zur Kenntnis nimmt, Edward. Man müßte sofort Maßnahmen ergreifen. Jede Minute zählt. Schicken Sie die Leute, die nach Bexhill gekommen sind, fort…«
Der Bürgermeister schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Jetzt reicht es mir, Andrew. Ich will davon nichts mehr hören, haben Sie verstanden? Nichts mehr!«
»Dad!« rief plötzlich eine helle aufgeregte Mädchenstimme.
Wir blickten sofort alle in dieselbe Richtung.
»Dad!« Die Tochter des Bürgermeisters eilte auf ihren Vater zu. Auch sie war äußerst beunruhigt, und sie steckte mich damit an, bevor sie noch ein Wort sagte. »Dad, Fess White ist spurlos verschwunden. Er trainierte für die Regatta, und jetzt ist er nicht mehr da. Sein Boot ist leer…«
Sherman nickte mit unheilvollem Blick. »Das Knochenschiff«, sagte er nur, und mir rieselte es eiskalt über den Rücken.
***
Wir rasten mit dem Motorboot des Schriftstellers aufs Meer hinaus.
Clint Perry, Edward Newman, Andrew Sherman, Suko und ich waren an Bord. Bill Conolly hatte auch mitkommen wollen, aber es war kein Platz mehr gewesen, und mir war es lieber, wenn er bei Sheila und Shao blieb, denn irgend etwas braute sich über Bexhill zusammen, und es war gut, wenn wir ab sofort auf der Hut waren. Aus ein paar unbeschwerten erholsamen Tagen war mal wieder nichts geworden, wie es schien.
Wenn das Knochenschiff wirklich
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