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0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

Titel: 0183 - Der Mann, der das Grauen erbte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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er, »wo bist du?« Er wippte provozierend mit dem Schlagstock und bewegte sich mit bewußt gleichmütigen Schritten auf das Gebüsch zu.
    Was dann kam, ging viel zu schnell, als daß Mary-Lynn wirklich hätte begreifen können, was geschah. Aus dem Unterholz schoß ein armstarkes, glitzerndes Etwas, ringelte sich um Montgomerys Arm und zerrte ihn mit unglaublicher Kraft zu Boden. Er stieß einen halberstickten Schrei aus, schlug mit der freien Hand nach dem Ding und strampelte hilflos mit den Beinen. Aus dem Gebüsch peitschte ein zweiter Tentakel, fesselte seinen anderen Arm und begann ihn langsam auf das Unterholz zuzuziehen.
    Mary-Lynn beobachtete die Vorgänge in stummem Entsetzen. Sie wußte, wie stark Montgomery war. Trotz seiner achtzehn Jahre war er bereits ein Riese, breitschultriger als die meisten Männer im Dorf und mit Fäusten, die in so mancher Wirtshausschlägerei erprobt worden waren. Aber gegen diese schleimigen, schlangengleichen Dinger schien er völlig machtlos zu sein.
    Das Gebüsch bewegte sich. Ein riesiger Körper schob sich ins Freie, im ungewissen Licht der untergehenden Sonne nur umrißhaft zu erkennen, aber das Wenige, was Mary-Lynn sah, genügte, um ihr das Blut in den Adern erstarren zu lassen. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war zugeschnürt. Ihre Hände begannen haltlos zu zittern.
    Das Ding glich einem gigantischen Wurm. Mary-Lynn konnte vier, fünf Meter seines Körpers sehen, aber sie hatte den Eindruck, als ob sich hinter dem plattgewalzten Gebüsch noch viel mehr verbarg. Das Wesen bewegte sich mit einer Leichtigkeit, die dem scheinbar plumpen Äußeren seiner Erscheinung spottete, über den Boden. Sie sah, wie weitere Tentakel nach Montgomery griffen, ihn schüttelten und schließlich fallenließen.
    Er bewegte sich nicht mehr.
    Mary-Lynn erwachte endlich aus ihrer Starre. Mit ungeschickten Bewegungen kletterte sie hinter das Steuer des VW, suchte eine endlose Sekunde lang nach dem Zündschlüssel und drehte ihn herum. Der Motor drehte mahlend, aber er sprang nicht an.
    Draußen kroch das Grauen näher. Sie konnte die peitschenden Tentakelspitzen des Monstrums sehen, unterarmstarke Fangarme, die in irrer Wut nach dem Wagen schlugen. Einer der Arme traf den Kotflügel des VW, riß ihn ab und ließ den Wagen krachend in die Knie gehen.
    Wie zum Trotz sprang in diesem Moment der Motoren. Mary-Lynn hatte keinen Führerschein, aber sie hatte oft zugesehen, wie Montgomery den Wagen fuhr, und die Angst gab ihr zusätzliche Kräfte. Sie schlug den Rückwärtsgang hinein und gab gleichzeitig Gas. Der Motor kreischte protestierend auf, aber der Wagen machte einen Satz und kam aus der Reichweite des Monstrums. Die Fahrt endete nach wenigen Metern vor einem Baum. Mary-Lynn wurde von dem Aufprall gegen das Lenkrad geschleudert, ihre Stirn prallte schmèrzhaft gegen die Windschutzscheibe, und für einen kurzen Moment versank die Welt vor ihren Augen in einem Nebel aus Schmerzen und Atemnot. Der Motor ging aus.
    Sie kämpfte sich mühsam wieder ins Bewußtsein. Hinter ihren Schläfen war ein wütender, quälender Schmerz: irgend etwas lief warm und klebrig über ihre Stirn, und irgend etwas schien mit ihrem Sehvermögen nicht zu stimmen. Sie sah alles doppelt, verschwommen, wie durch eine nicht ganz sauber gegossene Glasscheibe.
    Das Ungeheuer hatte angehalten, aber Mary-Lynn begriff nicht, daß das Ding gar keine Anstalten machte, sie zu verfolgen. In ihren Gedanken war nur Platz für den schrecklichen Anblick des Wurmkörpers, für Montgomerys leblose Gestalt, die wie ein achtlos liegengelassenes Spielzeug neben dem Körper des Monstrums lag.
    Sie versuchte, den Wagen zu starten, aber irgend etwas schien mit dein Motor nicht zu stimmen. Er sprang nicht an.
    Rechts von ihr entstand Bewegung. Irgend etwas kam durch das Unterholz auf den Wagen zugekrochen, mit langsamen, zielsicheren Beegungen, als wüßte es ganz genau, daß sein Opfer nicht mehr entkommen konnte.
    Und dann schlug das Grauen wie eine warme, erstickende Welle über ihr zusammen. Sie hatte gedacht, daß sie den Höhepunkt des Entsetzens erreicht hätte, aber das stimmte nicht. Irgend etwas in ihrem Gehirn schien auszusetzen, als sich die Gestalt dicht vor dem Wagen aufrichtete.
    Das Wesen war grob menschenähnlich. Es hatte einen zylinderförmigen Körper, zwei Beine, und zwei lange, biegsame Arme, die weder Knochen noch Gelenke zu haben schienen. Aber damit hörte die Menschenähnlichkeit auch schon auf. Das Ding war gute

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