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0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

Titel: 0183 - Der Mann, der das Grauen erbte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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drei Meter groß. Dort, wo bei einem Menschen das Gesicht war, hatte es eine große, schleimige Membran, die gleichzeitig Auge, Ohr und Mund zu sein schien. Sein Körper glänzte unter den letzten Strahlen der Sonne, als bestünde er aus poliertem Stahl.
    Sie schrie auf, als sich einer der langen, geschmeidigen Arme auf die zersplitternde Scheibe legte. Mit einer instinktiven Bewegung tauchte sie unter dem suchenden Arm hinweg, warf sich gegen die Beifahrertür und rollte ins Freie.
    Das Wesen reagierte mit einem zornigen Fauchen auf ihr Entkommen, Sein Arm ringelte sich um den Fensterholm des VW und riß ihn mit einer spielerischen Bewegung heraus. Langsam, mit unsicheren, schwankenden Bewegungen kam das Monstrum auf sie zu.
    Wäre Mary-Lynn in diesem Moment im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen, hätte sie erkannt, daß die beiden Ungeheuer viel zu schwerfällig waren, um sie ernsthaft bedrohen zu können. Aber in ihren Gedanken herrschte Chaos.
    Sie kam unsicher auf die Füße, stolperte rückwärts vom Wrack des Volkswagen weg und schrie, schrie, schrie…
    ***
    Der Mann hinter der Glasscheibe der Portiersloge musterte die drei Besucher mit offenkundigem Mißtrauen. »Ich glaube nicht, daß Mister Leroy im Moment Zeit hat«, sagte er vorsichtig. Er drehte die Visitenkarte, die Zamorra ihm gegeben hatte, in den Händen und starrte stirnrunzelnd darauf. »Professor…«, murmelte er halblaut. »Geht es um eine Veröffentlichung?«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Nicht direkt. Aber… ich würde das lieber mit Mister Leroy besprechen.«
    Der Pförtner zuckte mit den Schultern. »Ich kann es ja versuchen, aber… Der Chef ist in einer Besprechung, wissen Sie, und«, ein flüchtiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, »er kann sehr unangenehm werden, wenn man ihn stört - wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er griff nach einem altersschwachen Telefon, nahm den Hörer ab und drehte eine Nummer.
    »Vielleicht sagen Sie ihm, daß ich bereits vorige Woche mit ihm telefoniert habe«, schlug Zamorra vor. »Es ging um ein Buch, das in ihrem Verlag erschienen ist.«
    »Sicher.« Der Mann klemmte sich den Hörer zwischen Kopf und Schulter und lauschte sekundenlang. »Ja… Mary? Pounter hier«, sagte er. »Sag mal - ist der Boß frei?« Er wartete, nickte und lächelte siegessicher. »In einer Besprechung, so, na, dann… warte einen Moment. Ich kann ihn herausrufen lassen, aber wirklich nur, wenn es wichtig ist«, sagte er, an Zamorra gewandt.
    Bill nahm ihm die Antwort ab. »Tun Sie es, guter Mann«, sagte er. In seiner Stimme war deutlich zu hören, daß er mit seiner Geduld beinahe am Ende war. »Wir sind bestimmt nicht wegen einer Belanglosigkeit ein paar hundert Meilen weit gereist - meinen Sie nicht auch?« Er bemühte sich, ein freundliches Gesicht zu machen, aber sein Lächeln war eisig.
    Der Portier nickte ungerührt. Er war es gewohnt, mit aufdringlichen Menschen fertig zu werden, und die Sicherheit seiner Loge und die blaue Phantasieuniform, die er trug, gaben ihm zusätzliches Selbstbewußtsein. »Wie Sie meinen…« Er sprach wieder in das Telefon. »Versuch mal, ob du ihn herausholen kannst, Mary«, sagte er. »Hier sind zwei Herren und eine Dame, die ihn unbedingt sprechen wollen… nein, ich weiß nicht, was… gut… ja, ich sage es ihnen.« Er hängte ein, ordnete mit einer automatischen Bewegung seine Uniform und lächelte. »Mister Leroy kommt in wenigen Augenblicken«, sagte er steif. »Wenn Sie solange Platz nehmen wollen…« Er wies mit einer Kopfbewegung auf eine altmodische Clubgamitur aus schwarzem Leder, die in einer Ecke der barocken Empfangshalle verstaubte.
    Zamorra bedankte sich mit einem Kopfnicken. »Wir warten.«
    Sie gingen zu der Sitzecke und nahmen Platz. Die Sessel waren bequemer, als es den Anschein gehabt hatte. Auf einem niedrigen Beistelltisch lagen Musterexemplare der Bücher, die in den letzten Jahren in diesem Verlag erschienen waren. Zamorra nahm sich ein paar der Bände und blätterte darin. Es waren fast durchweg zweitklassige Kriminalromane, ein paar Reiseerzählungen und ein schlampig gemachter Bildband über Neuseeland. Offenbar war es ein reiner Zufall gewesen, daß sich Celhams Manuskript hierher verirrt hatte. Und wahrscheinlich hatte der Verlag das Buch nur gedruckt, weil es auf der Welle der mystischen und okkulten Bücher mitschwamm, die damals über das Land gerollt war. Zamorras Erwartungen, hier mehr über Celham und seine Arbeit zu erfahren, sanken auf

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