0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel
Bart, den er auf der Oberlippe trug, kassierte gelassen die vier Cent ein und sagte ohne mit der Wimper zu zucken:
»Rockefeller soll auch mal klein angefangen haben.«
Der Wirt, der hinter der Theke stand und Gläser spülte, lachte dröhnend.
»Das is‘ ‘ne Marke, mein Kellner, was, Stephen?« fragte er seinen einzigen Gast mit seiner polternden Bierstimme. »Dauernd hat er solche Sprüche parat. Möchte bloß wissen, wo du die alle aufgeschnappt hast, Kleiner.«
Fel Klinger verbeugte sich leicht in Richtung auf den Wirt hin.
»Man hat ja mal bessere Tage gesehen«, verkündete er geschraubt.
Cuddy Lines, der Wirt, den manche Leute auch ›Goldwine zwo‹ nannten — wofür sie ihre guten Gründe hatten — verzog sein verschlagenes Gesicht zu einem Ausdruck von komischer Hochachtung.
»Entschuldigung, Euer Gnaden!« trompetete er. »Bitte untertänigst um Entschuldigung!«
»Machen Sie lieber Ihren Kragen zu«, sagte der Kellner Klinger und warf einen Blick des Anstoßes auf das strittige Objekt. »Man steht nicht mit offenem Hemd hinter der Theke.«
Lines schnaufte verächtlich.
»Wir sind doch nicht im Waldorf-Astoria!« verkündete er protestierende Klinger stah sich um. Er bemerkte die schmutzigen Tapeten, die längst hätten ersetzt werden müssen, die zerschlissenen Vorhänge, die vielleicht einmal weiß gewesen waren, die teilweise schief hängenden Bilder an den Wänden und die ganze schäbige Einrichtung der Spelunke.
»Tatsächlich nicht?« sagte er. »Dann muß ich mich aber geirrt haben.«
Weder Lines noch Bander kamen dazu, ihr aufsteigendes Gelächter loszulassen. Die Tür ging auf und zwei uniformierte Polizisten traten ein. Die Uniform des einen war so deutlich sichtbar brandneu, daß es nur eines Blickes bedurfte, um ihn als Neuling zu erkennen.
»Mama mia, wann wirst du bloß mal deine Vorhänge waschen lassen«, sagte, der kleinere Polizist zu Lines. »Hier, Baby, sieh dir diesen alten Fuchs gut an! Jeder von uns wird sich glücklich preisen, wenn er den guten, alten, freundlichen, liebenswerten…« Er machte eine Pause und sah den Wirt an. Lines' Gesicht hatte sich in geschmeichelte Falten gelegt. Der Polizist beugte sich vor und fuhr leiser fort: »…durchtriebenen, skrupellosen, gewissenlosen, verdammten Banditen mit Handschellen aus dieser Bude hier heraus- und beim Gericht hineinführen kann. Lines, reg dich nicht erst auf! Was wir beide voneinander zu halten haben, das wissen wir. Was du von diesem Mann zu halten hast, das weißt du noch nicht, und wir wissen's auch noch nicht. Wir werden also beide sehen, wie er sich entwickelt. Aber das eine sage ich dir jetzt schon: Gehst du ihm je an den Kragen, dann drehe ich dir mit meinen eigenen Fingern deinen dreckigen Hals um!« Der Fellner schob sich näher zu den beiden Polizisten hin. Er spuckte auf das Kunststofftablett, das er in der Hand hielt, und polierte es angelegentlich mit seiner nicht ganz sauberen Serviette.
»Wenn Sie einen Zeugen brauchen, Boß«, sagte er dabei, ohne aufzusehen, »so stelle ich Ihnen gern zur Verfügung. Das war eine glatte Drohung.« Patrolman Tonio Bastiani drehte sich um und musterte Fel Klinger nicht unfreundlich.
»Was ist das denn für eine neuartige Hauswanze?« grinste er. »Ist der neu in deinem Ungezieferstall, Lines?«
»Ja, der ist neu«, erwiderte der Wirt und putzte emsig seine Gläser weiter. »Reg dich nicht auf, Fel! Ich weiß schon, wie ich mit den Bullen klarkomme. Misch dich nicht ein!«
Der Kellner zuckte die Schultern und entfernte sich beleidigt. Bastiani rutschte auf einen Barhocker, legte die Unterarme auf die hohe Theke und sagte: »Also, Lines, dieser neue Kollege hier wird dich in Zukunft unter seine Fittiche nehmen. Ich verlasse dich morgen. Gestern und heute habe ich das Baby eingeführt, und jetzt kann es schon alleine laufen. Dies ist meine letzte Tour!« Lines griff nach drei Whiskygläsern. »Ich bin untröstlich, Itakker«, sagte er. »Wirklich: untröstlich, daß ich dein schönes Gesicht nicht mehr so oft sehen soll.«
»Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit«, grinste Bastiani. »Ich werde vor Sehnsucht nach deiner Visage kaum schlafen können.«
»Dann will ich dir zum Abschied und dem Neuen zum Empfang einen ausgeben!«
Bastiani nickte.
»Ich wußte, daß du dich nicht lumpen läßt. Zwei Kaffee, bitte. Aber ausnahmsweise in sauberen Tassen. Wenigstens zum Abschied könnt ihr mir ja mal ein unbenutztes Trinkgefäß anbieten.« Enttäuscht schob Lines
Weitere Kostenlose Bücher