0186 - Die Blutorgel
hätten Sie so Ihre Erfahrungen«, folgerte sie richtig.
Ich lächelte. »Die haben wir auch.«
Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen, denn jetzt hatte sie einen Grund, nachzubohren. »Ich habe mich sowieso schon gewundert, wie kalt Suko reagierte, als das Feuer plötzlich hoch loderte. Ein anderer wäre doch weggelaufen, voller Panik und Angst..« Sie hob die Schultern.
»Mir kommt es vor, als würden Sie nicht zum erstenmal gegen solche Wesen kämpfen.«
Ich nickte. »Sie haben es erfaßt, Manuela. Wir sind auf schwarzmagische Wesen spezialisiert. In unserer Heimat haben wir einen gewissen Ruf.«
Ihre Augen wurden groß. »Sind Sie doch so etwas wie Detektive?«
»Sogar Polizisten«, erwiderte ich. »Scotland Yard.«
»O nein.« Sie schlug sich gegen die Stirn. »Das darf nicht wahr sein. Ich habe noch…«
»Vergessen sie es«, sagte ich und achtete dabei auf Suko, dessen Haltung sich spannte.
»Ist was?« wisperte ich.
»Da kommt jemand.«
Ich reagierte sofort und zerrte das Mädchen in Deckung eines großen Grabsteins. »Bleiben Sie da stehen und rühren Sie sich nicht vom Fleck.« Manuela nickte.
Ich lief wieder ein paar Schritte vor und gesellte mich zu Suko. Er hatte sich hinter einen Busch gekauert. Rasch hockte ich mich neben ihm.
»Und?«
»Da waren Schritte«, sagte Suko. »Jetzt höre ich sie nicht mehr.«
Ich zog die Beretta.
Im nächsten Augenblick vernahm ich ebenfalls die Schritte. Dann sah ich auch die Gestalt. Sie bewegte sich zwischen zwei Grabsteinen, ging geduckt dabei und sicherte nach allen Seiten.
Langsam hob ich den rechten Arm und mein Zeigefinger umspannte den Abzug der Beretta, denn der Schleicher hielt einen schweren Karabiner in den Händen…
***
Man hatte sie in die Mitte genommen und ließ sie keinen Moment aus den Augen. Denn sie waren wichtig. Schließlich sollten sie die neuen Blutträger sein, um die Orgel wieder spielen zu lassen. Benjamin schritt hinter der Familie. Zwei Untote rahmten ihn ein. Zwei Wesen ohne Herzen, die wie Marionetten einhergingen und nur das taten, was ihr Herr und Meister befahl.
Die anderen gingen vor der Familie her. Auch der Mann, der die Spitzhacke gehabt hatte und aus dessen Gesicht scharf und kantig ein bleicher Knochen schaute.
Die Zombies wußten genau, wohin sie zu gehen hatten. Den Friedhof ließen sie links liegen, und sie passierten auch den Wagen der Tylers, der mit eingedrücktem Vorderteil an der langen Mauer klebte.
Auch Vic und seine Frau sahen den Wagen nicht. Stur schauten sie nach vorn, ihre Umgebung nahmen sie kaum wahr. Sie hielten sich nur an den Händen fest, wobei sie versuchten, sich gegenseitig Hilfe zu geben.
Sie waren eine Familie, miteinander verbunden, und jeder spürte den Händedruck des anderen.
Gemeinsam hatten sie gelebt, gemeinsam wollten sie in den Tod gehen. Benjamin kannte keine Rücksicht. Er würde auch Kinder opfern, nur damit er auf seiner verdammten Blutorgel spielen konnte.
Nachdem sie den Friedhof und damit auch die Mauer hinter sich gelassen hatten, öffnete sich linkerhand ein schmaler Weg, der aus dem Ort und in die Berge führte.
Dort war das Ziel.
Der Weg war nicht gepflastert. Schotter bedeckte ihn teilweise. Rechts und links lagen zwischen schmalen Holzhäusern unbebaute Grundstücke, auf denen das Unkraut hoch wucherte.
Auch hier tanzte der Nebel. Er hatte sich sogar verdichtet und hing wie Watte vor ihnen.
Die Berge waren nicht zu sehen, aber es ging in die Höhe, und nachdem sie einen alten Holzzaun passiert hatten, der ein Grundstück auf der rechten Seite umschloß, schritten sie nach rechts und mußten jetzt über Steine klettern, denn der Pfad, den sie erreichten, wurde so schmal, daß sie nicht einmal mehr nebeneinander hergehen konnten.
Die Zombies ließen keinen aus den Augen. Sie waren sich ihrer Opfer sicher, und die sollten sich ihrer Opfer auch sicher bleiben, das stand fest.
Auch die Tylers mußten sich loslassen. Sie erlebten den Marsch ins Verderben wie einen schlimmen Traum und merkten kaum, daß der schmale Pfad in einen tiefen Schlund führte.
Hinein in eine gewaltige Felswand!
Der Eingang der Höhle wirkte wie das Maul eines Riesen.
Nebelschwaden dampften davor, man konnte das Gefühl haben, als würde der versteinerte Riese heißen Höllenatem ausstoßen.
Benjamin war nicht mehr zu halten. Er tauchte in den dunklen Eingang und sah bereits nach wenigen Yards den Schein der blasenden Fackeln, die verteilt in den Felswänden des gewaltigen
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