0193 - Duell der Magier
öffnete verschlafen ein Auge und stellte verschwommen fest, daß es bereits zehn Uhr vormittags war. »Kein Grund, aufzustehen«, murmelte er und klappte das Lid wieder zu.
Er konnte es sich leisten.
Zu den überzeugten Frühaufstehern zählte er ohnehin nicht und hatte auch im Moment ein wenig Freiraum. Ein Telepathieproblem, dem er nachgegangen war, war erledigt und der Artikel geschrieben und an eine Fachzeitschrift verkauft; ein Termin für eine Gastvorlesung stand innerhalb der nächsten zwei Wochen auch nicht an, und ein paar Tage Urlaub im Jahr durften es ruhig mal sein. Denn Zamorra befaßte sich nicht nur mit der Theorie, also den Forschungen, sondern auch mit der Praxis. Und dazu zählte, daß er ständig Kontakt mit okkulten Mächtèn hatte, darüber hinaus mit bösartigen Erscheinungen wie Dämonen, Hexen, Vampiren und was dergleichen mehr an, Ungeheuern die Erde bei Nacht bevölkerten.
Zamorra hatte den Mächten der Hölle den Kampf angesagt, die sich in letzter Zeit immer stärker zu manifestieren versuchten, und es gab kaum noch Tage, an denen er zur Ruhe kam. Er war Jäger und Gejagter zugleich, und der Fürst der Finsternis selbst hatte einen Kopfpreis auf Professor Zamorra ausgesetzt. Das hinderte diesen nicht daran, immer wieder einzugreifen und mittels der Nadelstich-Taktik den Teuflischen eine Niederlage nach der anderen beizubri igen.
Er versuchte den Anschluß an seinen letzten Traum wiederzubekommen, aus dem ihn das helle Tageslicht geweckt hatte, aber es wollte ihm wie üblich nicht gelingen. Erneut öffnete er ein Auge - diesmal in sorgfältiger Überlegung das andere - und sah erneut auf die Uhr.
Zehn Uhr fünfzehn…
Fast automatisch kam er jetzt doch hoch, warf die leichte Decke zurück und gähnte markerschütternd. Die Nacht war lang gewesen und die Feier der reine Streß. Bis in die frühen Morgenstunden hatten sie sich gut unterhalten, und Zamorra wagte gar nicht daran zu denken, was ihn diese Feier gekostet haben mochte. Er hatte die Honoratioren aus der Umgebung -Landwirte, Weinbauern und so gut wie alle Bürger aus dem unter dem Schloß liegenden Dorf Feurs - eingeladen zu einem fröhlichen Umtrunk. Wie der letzte der Gäste hinaus - und Zamorra ins Bett gekommen war, wußte er nicht so ganz genau.
Es war wahrscheinlich auch nicht so wichtig.
Er stand auf und reckte sich. »Streichhölzer her«, murmelte er. »Zum Unter-die-Augenlider-stellen. Sonst fallen die mir ja von allein wieder zu!«
Vorsichtig tappte er zum Fenster. Einen Brummschädel hatte er nicht; hatte er nie entwickelt. Im Gegensatz zu anderen Leuten konnte er jede Menge Alkohol trinken und durchaus trunken werden, bekam aber nie einen Kater. Indessen gehörten solche Feiern, die in Massenbesäufnisse ausarteten, auch nicht unbedingt zu seinem üblichen Tagesablauf. Eher im Gegenteil; Veranstaltungen dieser Art waren die große Ausnahme. Zamorra war alles andere als ein Trinker, nur in dieser Nacht hatte er, da ihn keine dringenden Verpflichtungen abhielten, mal so richtig hingelangt.
Draußen zeigte sich das Loire-Tal in seiner schönsten Pracht. Am Hang befand sich das Château de Montagne, das Zamorra vor ein paar Jahren sehr überraschend von einem seiner verblichenen Vorfahren geerbt hatte. Einschließlich Dienerschaft und Vermögen, das trotz der Verschwendungssucht von Zamorras Lebensgefährtin, Nicole Duval, einfach nicht abnehmen wollte. Und dieses Schloß, das teilweise wie eine Burgfestung ausgebaut war, hatte sich wiederholt als hervorragende Schutzbasis gegenüber den Kräften der Hölle erwiesen.
Mit Ausnahmen…
Aber an die dachte Zamorra an diesem Vormittag nicht. Vor ihm auf der Fensterbank standen Blumenkästen. »Unkraut«, murmelte er, rupfte unverdrossen eine Blüte ab und drehte sich zur Tür um.
In seinem Schlafraum war er allein wie auch Nicole in ihrem. Nach der vorhergehenden Feier hatte es zu gemeinsamen Spielchen nicht mehr gereicht, und jeder war in seine eigenen vier Wändchen getaumelt. Hin und wieder kam auch so etwas mal vor und erinnerte Zamorra dann mit leichter Wehmut an jene längst vergessene Zeit, in der sie sich noch nicht so intensiv kannten. Damals war sie »nur« seine Sekretärin gewesen, die von Höllenspuk und Dämonenzauber nichts wissen wollte, aber das Leben an Zamorras Seite hatte sie rasch eines Besseren belehrt. Inzwischen stand sie ihm kaum noch nach, und das Thema Chef und Sekretärin war auch schon seit langem dem Witzblatt-Stadium entwachsen. Sie
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