0195 - Eine schaurige Warnung
Knochen.
Eiskalt fühlten sie sich an. Die Feuchtigkeit hatte einen Film auf die Gebeine gelegt, so daß sie glänzten, als hätte sie jemand mit Schmierseife eingerieben.
Natürlich dachte ich darüber nach, wer diese Knöchernen wohl sein könnten. Zu einem Ergebnis kam ich auch. Es handelte sich bei ihnen sicherlich um die beiden verschwundenen Männer der Abräumfirma. Zwei hatte Abrakim ja zurückgeschickt, doch diese beiden hingen als schaurige Warnung an einem Weg.
Mein Gott, was mußten diese Männer durchgemacht haben, als sie noch lebten? Welch eine teuflische Methode hatte Abrakim nur entwickelt, um aus den Menschen Skelette zu machen?
Mich schauderte bei dem Gedanken, und ich beschloß, noch vorsichtiger zu sein.
Dabei dachte ich kühl und logisch nach. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß unser Gegner erst einen langen Weg durch den Wald nahm, bevor er die Skelette aufhängte. Bestimmt befand sich seine Behausung in der Nähe. Als ich zu dieser Schlußfolgerung gelangte, wurde mir mulmig zumute, und ich erinnerte mich wieder an die Geräusche, die ich vernommen hatte.
Schlich Abrakim mir bereits nach? Hielt er mich schon so unter Kontrolle?
Ein Wunder wäre es nicht gewesen. Schließlich kannte er den Wald wie seine Westentasche, für mich war die Umgebung etwas völlig Fremdes.
Alles kam mir unheimlich vor. Es war nicht völlig windstill, und der schwache Wind fuhr nicht nur durch die Bäume und bewegte dabei die kleineren Zweige, sondern auch die am Ast hängenden Skelette. Sie schwangen von einer Seite zur anderen. Manchmal berührten sie sich, wobei ihre Knochen aneinander schabten.
Ein schauderhaftes Geräusch.
Es tat mir leid um die Opfer, aber ich konnte es nicht ändern und auch nicht hier stehenbleiben. Ich mußte weiter. Abrakim sollte keine Opfer mehr finden, dafür wollte ich sorgen.
Drei kleine Schritte trat ich zurück. Davon war einer zuviel. Mit einer Beobachtung hatte ich zwar gerechnet, aber nicht mit den raffiniert aufgebauten Trapperfallen.
Im hohen Gras war die Schlinge auch nicht zu sehen. Ich jedoch trat prompt hinein. Dabei hatte ich sogar noch das Pech, daß beide Füße gefangen wurden.
Ich spürte nur den Ruck und einen regelrechten Schlag, als mir die Beine unter dem Körper weggerissen wurden. Im nächsten Augenblick war ich so überrascht, daß ich aufschrie, denn ich befand mich von einer Sekunde zur anderen in einer genau entgegengesetzten Lage. Mit anderen Worten, ich stand auf dem Kopf.
Das Blut schoß mir in den Schädel, für die Zeit eines Herzschlages wurde es mir schwarz vor Augen, dabei pendelte ich hin und her, stieß gegen die Gerippe und hörte das Klappern der Knochen.
Anstatt mich rasch auf meine neue Lage einzustellen, war ich viel zu perplex. Das Sprechgerät rutschte aus meiner Tasche, und auch die Beretta verließ die Halfter, wobei sie mit einem dumpfen Schlag zu Boden schlug. Neben dem Walkie-talkie blieb sie liegen, und beides war unerreichbar für mich, obwohl mich nur eine Bleistiftlänge von beidem trennte, denn so dicht schwebten meine Fingerspitzen über den Boden.
Ich pendelte.
Vor und zurück.
Schließlich verringerte sich der Schwung, und auch ich hatte mich wieder einigermaßen gefangen.
Tief atmete ich durch. In meinem Kopf spürte ich einen starken Druck. Der Kreislauf war völlig durcheinander, ebenso wie ich. Hinter meinen Schläfen hämmerte es, und ich fühlte mich verdammt hilflos in dieser Lage.
Weit öffnete ich die Augen. Mit den Blicken waren die weißgrauen Nebelschleier kaum zu durchdringen. Dicht vor mir sah ich das Gras. Ungewöhnlich groß kamen mir die Hahne vor, die an meine Stirn kitzelten.
Ruhig blieb ich in der schlimmen Lage hängen und überlegte weiter. Was konnte ich tun?
Die Beretta hatte ich verloren. Mir war das Kreuz geblieben und auch noch der silberne Dolch.
Er konnte mir helfen, denn wenn es mir gelang, das über meinen Füßen beginnende Seil zu kappen, hatte ich gewonnen. Nur durfte ich den Dolch um Himmels willen nicht verlieren, und ich mußte mich auch beeilen. Ewig würde man mich nicht hier hängen lassen.
Natürlich waren meine Muskeln verkrampft, und es wurde schon schwierig, den rechten Arm zu heben.
Nicht einmal zur Hälfte bekam ich ihn in die Höhe, denn plötzlich hörte ich ein Kichern.
Mein Arm fiel wieder herab.
Dumpfe Geräusche auf dem Grasboden. So, als würde jemand schnell darüberlaufen. Ein Tier vielleicht.
Es war ein Tier.
Und zwar ein pechschwarzer Bluthund,
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