0195 - Im Schloß der Bestien
mußte es Tag sein.
Sie selbst war bis auf den kaum wahrnehmbaren Slip nackt – und bis auf den Eisenring, der sich um ihren rechten Knöchel schlang. Eine massive Eisenkette, vielleicht fünf Meter lang, führte zu einem ebenfalls eisernen Ring in Meterhöhe an der Wand. Das bedeutete, daß sie gerade bis zur Tür kam, aber nicht weiter.
»Warum?« schrie sie laut. »Warum habt ihr mich eingesperrt?« Die Wände schwiegen. Susy raffte sich hoch, starrte den Ring in der Wand an und versuchte än ihm zu reißen. Aber die Kette war kein Scherz, sie hielt allen Versuchen stand. Susy wurde sich mehr und mehr bewußt, daß sie ihren Entführern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war.
»Warum?«
Warum hatten die Wolfsmenschen sie nicht getötet, sondern gefangengenommen? Was hatten sie mit ihr vor?
Erschöpft von der erfolglosen Anstrengung, den Eisenring aus der Wand zu reißen, lehnte Susy sich an die rauhen Steine. Wie eine Sklavin im Altertum! dachte sie. Angekettet. Gefangen. Und Mark ist tot!
Tot!
Die Verzweiflung griff nach ihr mit kalten Händen und ließ sie frieren.
Und dann knirschte Metall in Rost.
Die Tür!
Susys Kopf flog hoch. Sie starrte die Tür aus den massiven Eichenbohlen an. Jemand schloß auf, kam zu ihr.
Der Griff senkte sich langsam. Dann wurde die Tür knarrend und langsam nach innen geschoben …
***
Der Zollbeamte hob die Brauen. »Sie reisen ohne Gepäck?«
»Wie Sie sehen«, sagte Zamorra, der versuchte, seine eigene Überraschung zu verbergen. Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Kein Fenrir, kein Gepäck! Wohl hatte sich des Kofferraums wegen Nicole mit ihrer Ausstattung diesmal erheblich einschränken müssen – normalerweise pflegte sie mindestens vier Koffer mitzunehmen und mit sechs zurückzukehren –, aber wenigstens diese zwei Gepäckstücke hätten zu sehen sein müssen. Aber der Kofferraum des Wagens war leer.
Zamorra bekam Oberwasser. Er verstand zwar im Augenblick nicht, wie dieses Phänomen zustandekam, aber er beschloß, die Gunst der Stunde zu nutzen. »Möchten Sie vielleicht auch noch die Reifen aufschlitzen, um zu überprüfen, ob wir nicht irgendwelche Schmuggelware mit uns führen? Ich deutete schon an, daß wir es eilig haben.«
»Heute hat es jeder eilig«, knurrte der Beamte ungnädig und schlug die Haube zu. »Sie müssen verstehen, daß ich auch nur nach meinen Dienstanweisungen handele.«
Zamorra zuckte nur mit den Schultern, ging an ihm vorbei und stieg wieder ein. »Vielleicht beeilt sich Ihr Kollege ein wenig mit meinen Ausweisen«, verlangte er.
Doch der Kollege tauchte bereits auf. Er zeigte etwas Verwirrung. »Der Sonderausweis ist tatsächlich echt«, sagte er.
»Hatten Sie etwas anderes erwartet?« fragte Zamorra arrogant wie ein mexikanischer Haziendero, riß die Papiere an sich und startete den Wagen. Der Senator schoß mit hoher Beschleunigung davon.
»Vom Energiesparen hat der auch noch nie etwas gehört«, sagte der Beamte kopfschüttelnd, der die Ausweise überprüft hatte. »Warum schaust du denn so, wie die Kuh, wenn’s donnert?«
»Weil es mit dem Commenwealth zu Ende geht«, trauerte sein Kollege. »Wenn der Secret Service jetzt schon auf Franzosen als Sonderbevollmächtigte zurückgreifen muß … Franzosen !«
Die waren für die britische Krone doch schon immer der Erzfeind gewesen!
***
Ein paar Kilometer weiter, außer der Sicht- und Reichweite der Zollstation, hielt Zamorra am Straßenrand an. Nicole rückte sich auf dem Beifahrersitz zurecht.
»Jetzt rück’ endlich mit der Sprache heraus«, sagte sie. »Warum hat es nun doch geklappt?«
»Das«, sagte er gedehnt, »will ich gerade herausfinden, Cherie.« Er stieg aus und ging zum Wagenheck, um den Kofferraum zu öffnen. Auch Nicole stieg diesmal aus. Zamorra öffnete den Wagen. Mit einem gewaltigen Satz sprang Fenrir heraus, schüttelte sich heftig und umkreiste dann in hohem Tempo den Wagen. Zamorra rieb sich die Augen; auch die drei Koffer – seiner und die beiden von Nicole – waren deutlich zu sehen.
»Das grenzt an Hexerei«, murmelte er.
Der Wolf kam heran und ließ sich treuherzig und mit aus dem Maul hängender Zunge vor den beiden Menschen nieder.
»Vorhin«, sagte Zamorra, zu Nicole gewandt, »war der Kofferraum leer . Vollkommen leer. Und ich bin nicht einmal sicher, ob ich auch den Ersatzreifen gesehen habe.«
»Leer?« echote Nicole überrascht.
»Wäre er nicht leer gewesen, hätte es ein böses Spielchen gegeben. Die Sache mit
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