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0195 - Im Schloß der Bestien

0195 - Im Schloß der Bestien

Titel: 0195 - Im Schloß der Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wahr?«
    »Selbstverständlich wird ein Dienstfahrzeug der Universität zu Ihrer Verfügung stehen«, sagte der Dekan fast gekränkt.
    »Lykow klingt russisch«, bemerkte Zamorra. »Was hat es nun mit diesem Mann auf sich?«
    »Er und seine Familie emigrierten vor ein paar Jahren aus Rußland«, erklärte der Dekan. »Es soll dort Schwierigkeiten gegeben haben, über die es widersprüchliche Gerüchte gibt. Aber die Lykows besaßen Unsummen Geldes und besitzen sie auch heute noch. Sie kauften das leerstehende Schloß, renovierten es und bewohnen es seit dieser Zeit.«
    »Aber es heißt in der Einladung Lykows Schloß «, sagte Zamorra langsam. »Seit wann ändern britische Herrensitze ihre Namen?«
    Das Gesicht des Dekans verzog sich zu einem abfälligen Lächeln.
    »Wissen Sie, Monsieur le Professeur – wenn man genügend Geld hat, lassen sich sogar britische Traditionen ändern. Es ist weit mit uns gekommen, und deshalb heißt es jetzt Lykows Schloß und nicht mehr Fairymoon , wie einstmals.«
    »Fairymoon«, echote Zamorra. »Ein netter Name, der mir besser gefallen würde.«
    »Sagen Sie das mal Pjotr Lykow«, knurrte der Dekan. »Darf ich Sie jetzt noch durch die Räumlichkeiten führen, in denen Sie morgen und übermorgen zu tun haben?«
    Er durfte.
    Und als er Zamorra mit dem Ausdruck aufrichtiger Freude darüber, daß dieser weltbekannte Experte für Parapsychologie seinem Fachbereich und dem parapsychologischen Apparat der Universität die Ehre tat, verabschiedete, war es bereits fast neun Uhr abends und Zamorra ein wenig sauer, weil er seit ein paar Stunden Hunger verspürte.
    Aber von dem Opel Senator und Nicole Duval war trotz der mehreren Stunden, die mittlerweile vergangen waren, vor dem Universitätsgelände nichts zu sehen.
    Die war doch wohl nicht in irgendwelchen Studentenkneipen versumpft?
    Kopfschüttelnd stand Zamorra auf der Marmortreppe und sah sich suchend um.
    Ganz allmählich wurde es im Osten dunkler.
    ***
    Nicole fuhr mit Wolf und Wagen tatsächlich direkt zu Lykows Schloß. Es konnte nicht schaden, wenn sie die Verspätung direkt persönlich anmeldete und darüber hinaus schon einmal alles regelte, um auch zu später Stunde, wenn das Personal bereits Feierabend hatte, noch ungestört das Schloß betreten zu können.
    Der Beschreibung nach lag Lykows Schloß östlich von Oxford, und nachdem Nicole es geschafft hatte, auf den Schnellstraßenring zu kommen, war sie überrascht, wie schnell sie in der Nähe ihres Ziels ankam. Von der Straße zweigte ein schmalerer Weg ab – wie fast alle Nebenwege in England so gemütlich schmal, daß gerade ein Pferdefuhrwerk oder ein Auto hindurch paßt. Wenn ein zweites Fahrzeug entgegenkam, wurde es kriminell und bot in früheren Zeiten den Kutschern Gelegenheit, im Streit um das Vorfahrtsrecht sich gegenseitig die Peitschen um die Ohren zu schlagen.
    Über eine hölzerne Brücke, die unter den Rädern des Wagens gefährlich laut rumpelte, ging es über einen Bach, und dann tauchte ohne Vorankündigung ein kleines Dorf auf. Überrascht wollte Nicole mit der Landkarte vergleichen, aber dieses Dorf war auf der ihren nicht zu finden. Zu klein, erkannte sie. Derartige verschlafene Dörfchen, die aus ein paar Häusern und einem Pub bestehen, gibt es in England zuhauf; hier mußte Tolkien sich seine Anregungen für die Hobbits geholt haben.
    Genau so wie eine Hobbit-Siedlung in Nicoles Vorstellung sah dieses Dörfchen in der Tat aus. Langsam rollte sie über die Straße, eine Staubfahne hinter sich her ziehend. Auf dem Beifahrersitz saß Fenrir, ließ die lange rote Zunge aus dem Wolfsmaul hängen und schien vergnügt zu grinsen. Erinnerte er sich an die sibirische Steppe?
    Vor einem einstöckigen Häuschen, das der Beschilderung nach Kramladen, Post, Kneipe und weiß-der-Himmel-was-noch in einem war, hielt sie an. Es war warm, und sie gedachte ein kühles Bierchen zu sich zu nehmen, außerdem konnte sie dann direkt nach dem richtigen Weg zu Lykows Schloß fragen. In dieser Gegend war alles möglich; vielleicht gab es Pfade, auf denen sie mit dem Wagen nicht durchkam.
    Per Knopfdruck senkte sie die Fensterscheiben des Wagens ganz ab, damit genug Frischluft ins Innere kam und der Wagen sich durch die schräge Frontscheibe in der Nachmittagssonne nicht zu sehr aufheizte. Diese Wärme in England war ungewöhnlich, aber Nicole genoß sie. Und in Shorts und fast durchsichtiger, verknoteter Bluse war sie zwar für ein altertümliches kleines Dorf, in dem man noch

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