0195 - Im Schloß der Bestien
Fahrzeuge; er hatte den Opel dem großen Citröen vorgezogen, weil sich Fenrir besser verstecken ließ. Es waren nur wenige Fahrzeuge auf der Fähre gewesen, offenbar war zu dieser Zeit keine Saison. Doch sofort schüttelte Zamorra wieder den Kopf. Es war Saison; der Mangel an Reisewilligen mußte andere Ursachen besitzen.
Nicole sah die Angelegenheit von der nüchternen Seite. »Je weniger die Zöllner zu tun haben, desto mehr Zeit haben sie für gründliche Kontrollen«, unkte sie.
Zamorra verzog nur das Gesicht und hielt neben dem Beamten an, der sich zum Wagenfenster niederbeugte. Er warf nur einen sehr kurzen Blick in die Personalpapiere. »Etwas anzumelden, Monsieur Zamorra?« fragte er.
Der Meister des Übersinnlichen schüttelte den Kopf.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Kofferraum zu öffnen?« fragte der Zollbeamte.
Nicole zuckte kaum merklich zusammen. Zamorra schüttelte entschieden den Kopf und reichte seinen Sonderausweis nach. »Wenn Sie bitte Kenntnis von diesem Dokument nehmen möchten, Sir«, sagte er. »Ich habe es einigermaßen eilig und …«
Der Beamte streckte die Hand aus. »Darf ich noch einmal Ihren Paß sehen?« Kurz verglich er, dann schüttelte er den Kopf. »Sie sind Ihrem Paß nach Parapsychologe und kein Beamter des Secret Service, zudem sind Sie Ausländer. Das bedarf einer Klärung.« Er winkte einen Kollegen herbei und überreichte ihm die beiden Ausweise. »Überprüfen«, sagte er. »Bitte, Monsieur, steigen sie aus und öffnen Sie den Kofferraum. Ich muß darauf bestehen.«
Au verflixt! dachte Zamorra. Nicole mit ihrer Schwarzseherei! Als ob das Unheil dadurch erst heraufbeschworen worden sei! Für einen Sekundenbruchteil spielte er mit dem Gedanken, einfach aufs Gaspedal zu treten, um sich der unerquicklichen Situation zu entziehen. Der Sonderausweis war echt, und im Grunde hatte er sich bis jetzt noch nicht offiziell geweigert, den Kofferraum zu öffnen, sondern nur auf seinen Status hingewiesen – ein cleverer Rechtsverdreher mochte ihn aus der Sache wieder herauspauken, aber …
Mit gerunzelter Stirn stieg er aus, ging langsam, sehr langsam zum Heck und schob den Schlüssel in den Schließzylinder. »Bitte, Sir …«
Der Zollbeamte maß ihn mit einem prüfenden Blick, dann folgte er der Aufforderung zur Selbstbedienung. Zamorra trat einen Schritt zurück. Zu seiner Verwunderung bemerkte er in diesem Augenblick für wenige Sekunden ein äußerst schwaches Prickeln seines Amuletts, das er unter dem dünnen Sporthemd auf der nackten Brust trug.
Der Kofferdeckel klappte, von den Federn gehoben, hoch. Der Zollbeamte warf einen kurzen Blick in den Kofferraum, dann drehte er leicht den Kopf.
»Sie reisen ohne Gepäck?«
Zamorra trat unwillkürlich einen Schritt näher und versuchte seine Überraschung so gut wie möglich zu verbergen.
Der Kofferraum war – leer!
***
Susy Carter öffnete die Augen. Ein eigenartiges Zwielicht sprang ihr entgegen, gelb und dämmerig. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu akklimatisieren. Sie war ohnmächtig geworden, erinnerte sie sich. Wolfsmenschen hatten sie gejagt, nachdem Mark von ihnen ermordet worden war. Die Unheimlichen hatten sie eingekreist und erwischt …
Und jetzt?
Sie befand sich nicht mehr im Freien. Sie lag auf hartem Steinboden, der nicht allzu warm war. Langsam sah sie sich um. Ringsum ragten roh behauene Steine als Wände empor. Es gab keine Fenster, sondern nur zwei, drei Löcher, in denen kleinere Steine in der Mauer fehlten. Durch diese Löcher drang Frischluft herein, aber kaum Licht. Die Wand mußte sehr dick sein, mehr als einen Meter. In alten Burgen gab es so etwas. Die waren damals massiv erbaut worden, um auch stärkeren Steinschleudern Widerstand entgegensetzen zu können …
Unwillkürlich fuhr sie zusammen. Es gab in der näheren Umgebung nur eine Burg. Jenes Bauwerk am Berghang, in dessen Zinnen der Wind wie der Wolf heulte und vor dem die Menschen im Dorf gewarnt hatten.
Das Schloß …
Man hatte sie ins Schloß gebracht! Man? Wolf! Die Wölfe hatten sie entführt. Was hatten sie mit ihr vor?
Ihr suchender Blick kreiste weiter, traf drei, vier flackernde Kerzen, die in an den Wänden befestigten Haltern steckten und langsam niederbrannten. Sie erzeugten das gelbliche Dämmerlicht, und ihre Flämmchen bewegten sich bei jedem Lufthauch, der durch die Löcher in den Wänden kam. Die Kerzen tropften; Susy schätzte, daß sie etwa zu einem Drittel niedergebrannt waren. Draußen
Weitere Kostenlose Bücher