0196 - Die Mörderklaue
auf die Matratze.
Ich schlief fest und traumlos. Daß ich von einem Fall träumte, geschah höchst selten. Wäre noch schöner, wenn mich auch nachts die Monster nicht in Ruhe ließen.
Als sich der Wecker meldete, fühlte ich mich irgendwie kaputt. Nur schwer kam ich aus dem Bett, doch nach einer Dusche fühlte ich mich wieder wohler.
Zum Frühstück brühte ich mir einen Pulverkaffee auf, aß zwei Scheiben Brot und hatte die Krümel noch auf der Lippe kleben, als Suko bereits schellte.
Wir fuhren gemeinsam zur Arbeitsstelle.
Ich klemmte mir die Zeitung unter den Arm und verließ meine Wohnung.
Suko grinste mich an.
»Was ist?« fragte ich ziemlich bissig.
»Hast du durchgemacht?«
»Nein.«
»Mir scheint doch, daß Sarah Goldwyn dich schwer hergenommen hat. War ihr Essen so gut?«
»Noch besser. Vor allen Dingen der Nachtisch.«
Suko bekam die Antwort in den falschen Hals und pfiff durch die Zähne.
»War sie blond, braun, schwarz…«
»Dunkelblond und tot.«
Sofort wurde der Chinese ernst. »Ein Fall?«
»Leider.«
Auf der Fahrt durch den allmorgendlichen Verkehr berichtete ich ihm von meinen Erlebnissen. Der Chinese hörte genau zu. Ich ging erst gar nicht in mein Büro, sondern schneite sofort bei Superintendent Sir James Powell herein. Der zog sich soeben seinen grauen, gefütterten Mantel aus.
»Sie?«
»Ja, Sir, ich habe da einiges zu besprechen.«
»Gut, nehmen Sie Platz.« Der Alte hatte heute gute Laune. Ich berichtete, was mir widerfahren war.
»Und Sie wollen natürlich nach Glora fahren?«
»Klar.«
Sir James nickte ein paarmal. »All right, nehmen Sie Suko mit?«
»Möchte ich gern.«
»Einverstanden. Schauen Sie mal zu, was Sie da alles herausbekommen. Ich hoffe, der Fall wird geklärt.«
»Das hoffe ich auch, Sir.«
Ich schaute erst gar nicht die Morgenpost durch und ließ auch direkt meinen Mantel an. Glenda war inzwischen erschienen.
»Und was ist mit meinem Kaffee?« rief sie. »Habe ich den jetzt umsonst gekocht?«
»Leider.«
Glenda schmollte. »Ihnen koche ich keinen Kaffee mehr. Sie können demnächst die Automatenbrühe trinken. Dann werden Sie so etwas wie heute nicht noch einmal machen.«
Das hatte ich nun davon. Aber wie heißt es so schön? Es allen recht zu machen, vor allen Dingen den Frauen, das ist ein Ding der Unmöglichkeit.
***
Tim Shriver verzog sein breites Nußknackergesicht und schimpfte. »Mist verdammter, ausgerechnet nach Wales.«
Sein Kollege, Alan Moore hob nur die Schultern, ohne von der Sexzeitschrift aufzuschauen. »Was willst du? Ist doch egal, wo die Tote in die Erde kommt. Und ich kann mich daran erinnern, daß dir die weiten Fahrten früher gefallen haben.«
»Ja, früher. Da war auch kein Winter.«
»Noch haben wir keinen Schnee. Im Radio haben sie gesagt, daß es wärmer werden soll. Und jetzt laß mich in Ruhe.«
»Du mit deinen Scheiß-Pornos.« Alan kicherte. »Besser als ‘ne Zeitung.«
Die beiden Männer fuhren den Leichenwagen. Sie waren bei einem privaten Bestattungsunternehmen angestellt und brauchten um ihren Arbeitsplatz keine Angst zu haben, denn gestorben wurde immer. Zudem hatte ihr Arbeitgeber noch einen Vorteil auf seiner Seite. Er fuhr für Scotland Yard.
Das zählte, denn von dieser Polizeiorganisation fiel so manch fetter Happen ab.
Wie auch heute.
Bis nach Wales mußten die beiden Männer die Leiche des jungen Mädchens schaffen. In ein Kaff, das Glora hieß und dicht an der Küste lag. Eine Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Shriver und Moore waren Engländer, keine Waliser. Sie mochten die Typen nicht, die so ernst und verschlossen waren, außerdem das Königreich ablehnten und sich in einer eigenen Sprache unterhielten.
Nein, Wales war nichts für sie. Da lobten die beiden sich eine anständige Fuhre innerhalb Londons, statt bei diesem Mistwetter einige Hundert Meilen zu fahren.
Sie waren schon in der Nacht losgegondelt. Immer in Richtung Westen, wie die Pioniere vor 200 Jahren in den USA. In Gloucester hatten sie sich zum erstenmal abgelöst. Durch die Black Mountains fuhr dann wieder Tim Shriver, und als sie Wales erreichten, der Schneefall in den Bergen hatte zum Glück nachgelassen, saß Alan Moore wieder hinter dem Steuer des Mercedes.
»Hier heißen die Städte und Dörfer ja ganz anders«, beschwerte sich Tim Shriver. Er hatte auf seinen Knien eine Autokarte liegen und schüttelte nur den Kopf.
»Alles gälisch.«
»Mist.«
»Stehen denn da nicht zwei Namen?« fragte Moore.
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