0196 - Die Mörderklaue
Köpfen der Tiere.
Manchmal plusterte sich auch eine Krähe auf, doch sie ließen die Menschen in Ruhe und griffen sie nicht an.
Alan Moore hatte die noch etwas besseren Nerven. Er klemmte sich auch hinter das Lenkrad. Sacht zogen beide die Türen zu, sie wollten die lauernden Vögel auf keinen Fall erschrecken.
Moores Hand zitterte trotzdem, als sie sich dem steckenden Zündschlüssel näherte und ihn herumdrehte.
Der Motor sprang mit einem Vortuckern an und lief dann rund.
»Erster Gang«, flüsterte Shriver. Er schaute aus dem Fenster und ließ die Vögel nicht aus den Augen.
Moore startete mit einem Ruck. So etwas kam bei ihm sonst nicht vor, hier zeugte es von seiner großen Nervosität.
Der Leichenwagen rollte an.
»Fahr nicht zu schnell!« hauchte Tim Shriver. »Diese Vögel könnten es falsch verstehen.«
Moore wußte genau, was er zu tun hatte. Langsam rollte der Wagen weiter.
Die Vögel blieben sitzen. Stumm, doch irgendwie drohend, wie kleine, pechschwarze Wächter aus einer anderen Welt oder Zeit. Der Mercedes rollte die Reihe der Tiere ab, und als sie zu Ende war, atmeten beide Männer auf.
Naß glänzten ihre Gesichter. Die Angst hatte ihnen den Schweiß aus den Poren getrieben.
»Meine Güte, das war ein Ding«, murmelte Shriver. »Was hier alles möglich ist.«
»Ja, Wales ist eben anders.«
Shriver war mit dieser Antwort nicht einverstanden. »Nein, Alan, das hat mit dem Land hier nichts zu tun. Bei diesen Vögeln handelt es sich um ein anderes Phänomen.«
»Bist du sicher?«
»Und wie.«
Alan Moore hob die Schultern. Er schaltete dabei in den dritten Gang, um schneller zu fahren. Natürlich ließ er Innen-und Rückspiegel nicht aus den Augen.
Da sah er es.
Die Vögel blieben nicht länger am Straßenrand hocken. Wie eine gewaltige schwarze Wolke stiegen sie in die Luft. Ein Meer von gefiederten kleinen Tieren, die sich von dem Grau des Himmels deutlich abhoben. Eine quirlende, sich bewegende Wolke, flatternd und sich jetzt auseinanderziehend zu einem immensen Rechteck.
»Mensch, Tim, die Vögel!«
»Was ist mit ihnen?«
»Sie kommen.«
Tim Shriver hatte den Satz kaum ausgesprochen, als die Raben und Krähen schon da waren.
Plötzlich stand die Wand vor ihnen. Über der Straße und auch rechts und links von ihr flatterten sie. Ihr Krächzen und Schreien übertönte sogar noch das Geräusch des Motors, und die Gesichter der Vögel waren auf den Wagen gerichtet.
»Die wollen was von uns!« hauchte Shriver. »Verdammt, Alan, fahr. Gib Gas, Mensch!«
Das tat Moore auch. Er drückte auf das Pedal, trat es weit nach unten, und der Mercedes tat einen regelrechten Sprung nach vorn. Er wurde katapultiert.
Mitten hinein in den Pulk der schwarzen Vögel, die sich gerade hatten fallen lassen.
Shriver schrie auf.
Moore preßte die Lippen zusammen. Ein Alptraum wurde wahr. Wie in dem Film »Die Vögel«. Er hörte das häßliche Klatschen, mit dem die Körper gegen die Karosserie schlugen, Reifen zermalmten einen kleinen Teil der Tiere, aber es gab noch genügend andere, die sich auf das Fahrzeug stürzten.
Plötzlich sahen die beiden Männer nichts mehr. Die Tiere befanden sich vor der breiten Frontscheibe und verdunkelten jegliche Sicht. Weder Shriver noch Moore konnten etwas erkennen. Unter den Schlägen der anfliegenden Vögel zitterte das Glas. Es würde nicht mehr lange dauern, dann zerbarst die Scheibe.
Moore sah die Straße nicht mehr.
Die Vögel klammerten sich jetzt überall fest. Sie hockten auch an den Seitenscheiben, waren auf dem Dach, auf der Kühlerschnauze, und so kam es, wie es kommen mußte.
Alan Moore verriß das Lenkrad. Er konnte nicht mehr auf der Straße bleiben. Das linke Vorderrad rumpelte zuerst in den Graben. Der Mercedes bekam einen heftigen Stoß, wurde durchgeschüttelt, die Federung ächzte und stöhnte, etwas schlug hart unter die Bodenwanne und kratzte dann daran entlang.
Ein sattes Platzen.
Die Frontscheibe zerbarst in tausend Teile. Splitter wirbelten den beiden Männern entgegen. Sie reagierten instinktiv und rissen ihre Arme hoch, um die Gesichter zu schützen. Moore ließ das Lenkrad los, seine Füße rutschten von den Pedalen, der Mercedes rumpelte noch ein Stück weiter, wurde hochgeschleudert, weil ihm Unebenheiten im Boden zu schaffen machten, drehte sich, fuhr immer noch und bohrte sich dann mit der Schnauze in einen Erdhügel.
Das geschah innerhalb von drei Sekunden. Eine Zeitspanne, die auch die Vögel nutzten.
Sie drangen in das
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