0196 - Flucht vor den Riesenspinnen
Aufstehen nichts bemerkt zu haben.
Ihre Augen durchdrangen das matte Dämmerlicht der hellen Mondnacht. Mit raschen Griffen wählte sie die nötigsten Kleidungsstücke aus, um nicht allzusehr aufzufallen, obgleich sie sie im Grunde nicht benötigte. Die Zeiten waren vorbei. Sie schlüpfte in Hose und Bluse und schlich zum Fenster.
Plötzlich richtete Frederic sich auf. Etwas mußte ihn geweckt haben. Vielleicht ein unbeabsichtigtes, leises Geräusch, vielleicht der Windhauch ihrer Bewegungen. Er riß die Augen auf und sah sie vor dem Fenster.
»Cathy? Was…?«
Sie schwang sich hinauf.
»He!« Er kam aus dem Bett. »Was machst du? Cathy!«
Sie stieß sich ab und stürzte in die Tiefe. Der Aufprall war hart und erschütterte sie, aber sie blieb unverletzt. Nur eine leichte Benommenheit wollte sich in ihr ausbreiten, aber als sie dagegen ankämpfte, verschwand das Gefühl sofort wieder.
Die Chitinhaut knisterte, als sie wieder aufsprang. Oben stand Frederic fassungslos am Fenster. Er konnte nicht begreifen, was geschehen war. Warum war sie aus dem Fenster gesprungen? Warum war sie unverletzt geblieben, obgleich sie hart wie ein Medizinball aufgeprallt war?
Sie eilte über die Straße davon, achtete nicht auf seinen erschütterten Ruf. Das Mondlicht umfloß silbern ihre Gestalt.
Da endlich kam Bewegung in Frederic.
Er machte sich bereit, seine Frau zu verfolgen!
***
So schnell war Frederic Portland noch nie in Hemd und Hose gekommen. Er nahm sich gerade noch Zeit für die Schuhe, dann stürmte er zur Tür. Die war von ihm selbst abgeschlossen.
Er nahm sich nicht die Zeit, aufzuschließen. Seine Reflexe waren schneller als das bewußte Denken. Auf dem Absatz wirbelte er herum und war im nächsten Moment am Fenster.
Gute fünf Meter ging es hinab!
Er drehte sich, kletterte rückwärts hinaus und ließ sich baumeln. Gut zwei Meter nahm er damit von der Höhe weg. Dann stieß er sich ab.
In Vietnam hatte er gelernt, wie ein Fallschirmspringer sich abrollt, und die kommen mit einem Tempo herunter, als stürzten sie aus acht Metern Höhe. Dennoch kam er hart auf, federte und rollte sich ab, um sofort wieder auf die Beine zu kommen.
Hoch!
Wo war Cathy?
Er fragte nicht, warum sie aus dem Fenster gesprungen war. Er fragte auch nicht, wie sie den Sprung unverletzt hatte überstehen können, weil sie nicht so geschickt vorgegangen war wie er selbst. Er wußte nur, daß er sie nicht verlieren durfte.
Nicht verlieren durfte! Es hämmerte in ihm und trieb ihn an. Dorthin, wo er sie hatte verschwinden sehen.
Wie ein Wahnsinniger rannte er und war doch nicht schnell genug.
Über einen der unzähligen Kanäle verlor sich der Ruderschlag einer gestohlenen Gondel…
***
Von Vormittag her hatte Frederic sich die Lage der Wasser-Straßen so gut wie möglich gemerkt. Er konnte sich denken, welche Richtung Cathy verfolgte.
Aus der Stadt hinaus.
Es war sehr wahrscheinlich, daß sie diesen Weg nahm. Er nahm an, daß sie auf diese Weise ihren Ängsten entfliehen wollte.
Woher sollte er ahnen, daß Cathy keine Furcht mehr kannte?
Frederic kehrte zum Hotel zurück. Auf dem Parkplatz stand der Mietwagen. Erschrocken entsann Fred sich, daß die Zimmertür von innen verschlossen war und er jetzt nicht einmal mehr ins Hotelzimmer zurück konnte, aber dann fand er den Wagenschlüssel in seiner Hosentasche. Glück gehabt! Um das Zimmer mußte er sich später kümmern, vielleicht konnte man den steckenden Schlüssel irgendwie hinausstoßen und mit dem Generalschlüssel des Hotels öffnen.
Er stieg in den Wagen und startete. Halbwegs hatte er den Stadtplan von Venedig im Kopf und jagte jenem Stadtteil entgegen, in dem Cathys Flucht ein vorläufiges Ende finden mußte.
Aber dann kam er erneut zu spät.
Er sah das leer am Kanalrand treibende Boot, und er sah die Rücklichter eines Taxis verschwinden. Wie hatte sie es zu dieser Nachtzeit aufgegabelt? Es mußte Zufall gewesen sein!
Der Teufel hilft den seinen Frederic preßte einen Fluch über die Lippen und trat das Gaspedal weiter durch. Der Taxifahrer fuhr schnell, und Frederic hatte Schwierigkeiten, am Ball zu bleiben.
Außerdem bemerkte der Taxifahrer recht bald, daß er verfolgt wurde. Ein sinnverwirrendes Spiel auf Italiens Straßen begann, während der Weg sie weiter nach Süden brachte…
***
Nach dem Frühstück berichtete Nicole von ihrer Vision. Aufmerksam hörten die drei anderen zu. Bill schüttelte hin und wieder skeptisch den Kopf, aber Zamorra maß den
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