0197 - Im Jenseits verurteilt
führe dich.«
»Nein!« Glenda dachte an den Tentakelarm. Mit ihm wollte sie nicht noch einmal in Berührung kommen. Sie ekelte sich vor dieser schleimigen Masse.
»Wie du willst.«
Der Dämon ließ Glenda vorgehen.
»Geh nur immer geradeaus, aber weiche nicht vom Weg ab, hörst du? Weiche nie ab, sonst wird es schlimm.«
»Was kann denn noch schlimmer werden?« flüsterte Glenda.
Hunter lachte. »Du wirst dich wundern, Kleine. Sogar sehr wundern, das kannst du mir glauben.«
Der Boden unter ihr bestand aus rauem, aber weichem Stein. Kanten, Buckel und auch Spalten, aus denen der Nebel quoll, bildeten gefährliche Stolperfallen.
»Geh weiter!« Hunter sagte dies beschwörend, und das merkte Glenda auch. Es musste dafür einen Grund geben. Sie wurde wirklich vorsichtig und schaute auf ihre Stiefelspitzen. Manchmal hatte sie das Gefühl, als würde sie auf einem schmalen Grat balancieren, obwohl sie nichts sehen konnte, denn der Nebel um sie herum war äußerst dicht. Nach ein paar Schritten hörte sie die Geräusche. Es waren schlimme Laute, die rechts und links von ihr aus der Tiefe drangen. Heulen, Jaulen, Klagen und Schreien. So schrecklich und grauenvoll, dass Glenda stehenblieb, ihre Hände hob und sich die Ohren zuhielt.
»Weiter!« drängte Hunter. Glenda schüttelte den Kopf.
»Nein«, keuchte sie, »ich kann nicht mehr weitergehen. Ich habe nicht mehr die Kraft. Das ist alles so schrecklich, so grauenhaft. Ich bringe es nicht fertig. Wirklich nicht.«
»Du musst!« Glenda zuckte zusammen, als sie nach dieser Antwort die Berührung in ihrem Rücken spürte. Ein Stromstoß schien durch ihren Körper zu fließen, sie schüttelte sich und versuchte, den Tentakelarmen auszuweichen. Dabei ging sie einen zu schnellen Schritt nach vorn, und schon war es passiert. Nach links rutschte sie ab. Tatsächlich wanderte sie nur auf einem sehr schmalen Grat dahin. Und da war nichts, an dem sie sich festhalten konnte. Sie fiel nach links und sah noch während des Falls, wie sich eine Nebelspirale gebildet hatte und einen Trichter schuf, in den sie hineinschauen konnte.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Glenda Perkins einen freien Blick. Sämtliche Schrecken und Bilder der Hölle taten sich vor ihr auf. Was sie früher nur von Alpträumen her kannte, das wurde nun Wirklichkeit. Glenda sah schreckliche Gestalten. Monster mit zwei oder mehr Köpfen, Wesen, die eine Mischung zwischen Tier und Mensch darstellten. Kraken mit Menschenköpfen an ihren Fangarmen, riesige Ratten, die an Knochen nagten, gefährliche Wesen mit Fischköpfen und messerscharfen Gebissen. Große Fledermäuse, Werwölfe mit blutbefleckten Schnauzen und schleimige Ghouls auf der Suche nach Aas.
All diese Wesen hielten sich in dem Kessel auf, in dem es brodelte und gärte, wo der reine Schrecken zu Hause war und Alpträume zu einer Tatsache wurden. Sie alle warteten, wollten Opfer.
Menschen, wenn möglich.
Und Glenda würde ihnen in die Klauen fallen. Sie schrie.
Schon schossen zwei mit Menschenköpfen versehene Krakenarme in die Höhe. Glenda sah zwei Mäuler in den Köpfen, die sich öffneten und Vampirzähne zeigten, um beißen zu können, damit der Weg für das Blut frei war.
Mit den Armen ruderte Glenda. Doch sie griff nur in den wallenden Nebel. Halt fand sie nicht. Den gab ihr Rick Hunter! Bevor Glenda endgültig in den Schlund fallen konnte und ein Opfer der grässlichen Gestalten wurde, griff er zu. Allerdings nicht mit seinem normalen Arm, sondern mit dem langen Fangarm eines Kraken. Der wickelte sich von unten her gedankenschnell um Glendas Körper, so dass er die Fallende festhalten konnte. Kraft genug besaß er. Bevor der Menschenkopf zubeißen konnte, wurde Glenda wieder in die Höhe gehievt und auf den relativ sicheren schmalen Steg gestellt.
Jetzt weinte sie. Die Angst musste sich freie Bahn verschaffen. Zudem zitterte sie am ganzen Körper. Hätte Hunter sie nicht weiterhin festgehalten, wäre sie sicherlich gestürzt.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du vorsichtig sein sollst!« zischte er.
Glenda erwiderte nichts. Sie war nicht in der Lage, auch nur ein Wort hervorzubringen. Sie blieb in den Armen des Dämons und schnappte keuchend nach Luft. Hunter ließ sie. Er schaute über Glendas Kopf hinweg, und ein teuflisches Lächeln umspielte seine Lippen. Aus reinem Mitgefühl hatte er Glenda nicht gerettet, nein, wenn sie irgendwelche Zicken machte, würde sie den Monstern vorgeworfen werden. Aber zuvor wollte noch jemand
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