0199 - Hyänen für den Henker
auch wir können etwas tun. Gewiss haben Sie schon einmal von dem gehört, was Sie Clubs nennen. Bei uns heißt es Tongs.«
Er sah uns erwartungsvoll an.
»Sie brauchen uns nichts zu erklären, Mister Min, wir beide kennen China etwas. Wir waren vor längerer Zeit in Hongkong, und wir wissen genau, was der Ausdruck Tong bedeutet.«
»Umso besser«, meinte der alte Mann, »dann kann ich mir die Erklärung sparen. Ich selbst gehörte einem Tong an, dem Tong, der unter dem Zeichen der Mondgöttin gegründet wurde. Wir haben viele Mitglieder, und wir wissen vieles. Meine Landsleute arbeiten als Wäscher, Köche und Diener in den Häusern reicher Leute, und sie sehen und hören mehr, als ein Amerikaner jemals sehen würde. Wir vermeiden es, uns in ihre Angelegenheiten zu mischen, aber der Mord an meinem Sohn ist etwas, was mich mehr betrifft als die amerikanischen Behörden.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Sie sind der Vater.«
»Auch die Amerikaner haben ihre Tongs, wenn die auch weniger selbstlose Ziele verfolgen als die unseren. Einen dieser-Tongs nennt man DAS SYNDIKAT, und dieses Syndikat ist schuld an dem Unglück meines Sohnes.«
»Sie sagen uns nichts Neues, Mister Min. Ihr Sohn hat sich leider zu tief mit dieser Vereinigung von Verbrechern eingelassen und wurde ermordet, als er im Begriff war, sie zu verraten.«
»Ich weiß das«, sagte er. »Nun sagen Sie mir, bitte, was ich tun kann, um Ihnen zu helfen.«
»Das, Mister Min, ist eine Frage, auf die ich keine Antwort geben kann«, meinte ich, und es fiel mir schwer, ein Lächeln über soviel Naivität zu verbergen. »Das Syndikat ist eine mächtige Vereinigung. Sie besteht nicht nur aus Leuten, die man Gangster nennt, sondern es sitzen auch Herren in ihr, denen man es nie Zutrauen würde - große Geschäftsleute, Politiker und leider auch Beamte, deren Aufgabe es ist, illegale Unternehmen zu bekämpfen.«
»Ich will Sie ja nicht beleidigen, aber das wusste ich auch. Es gab dasselbe auch in China. Es gab bestechliche Beamte und korrupte Mandarine. Tschiang Kai Tschek scheiterte an der Korruption.«
»Dann sind wir uns ja einig. Um auf Ihre direkte Frage genauso direkt zu antworten: Versuchen Sie zu erfahren, welches die Leiter und Führer des Syndikats in New York sind.«
Mister Min lächelte das abgrundtiefe Lächeln seiner Rasse.
»Vielleicht könnte ich das, aber Sie würden es mir nicht glauben. Die Bosse 38 des Syndikats sitzen hinter gläsernen Wänden, die mit Dollarnoten verklebt sind. Die Bosse des Syndikats sitzen auf goldenen Thronen und keiner wagt, sie herunterzustoßen. Die Bosse des Syndikats sind so mächtig, wie die Mandarine des alten China. Wollen Sie wirklich, dass ich sie Ihnen nenne?«
»Selbstverständlich.«
»Geben Sie mir noch etwas Zeit. Ich habe in meinem Haus in der Baxter Street, in dem ich eine Wäscherei betreibe, ein Telefon. Wollen Sie mir versprechen, sofort zu kommen, wenn ich Sie darum bitte?«
»Ja«, sagte ich spontan.
Der alte Mann, der seinen missratenen Sohn immer noch liebte, fing an, mir zu imponieren. Außerdem kannte ich die Macht der chinesischen Geheimgesellschaften. Vielleicht klingt es lächerlich, aber diese Tongs mit ihren tausendfachen Untergrundbeziehungen und Tausenden von Mitgliedern besitzen eine riesige Macht.
Jedenfalls ist es besser, sie als Verbündete denn als Gegner zu haben.
Mister Min erhob sich langsam, faltete die Hände über der Brust und verneigte sich.
»Grüßen Sie ihre reizende Tochter«, sagte ich. »Soll ich Sie nach Hause fahren lassen?«
»Ich danke Ihnen für die Grüße, aber es wird nicht nötig sein, Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Mein Wagen steht unten.«
Unwillkürlich verbeugten auch wir uns, als Mister Min, den Höflichkeitsformeln des fernen Ostens folgend, rückwärts zur Tür schritt.
»Ein ulkiger Vogel«, sagte ich, aber mein Freund hörte nicht zu.
Er blickte aus dem offenen Fenster hinunter auf die Straße.
Nach ein paar Minuten wandte er sich um.
»Was meinst du, was für einen Wagen dieser angebliche Wäschereibesitzer fährt?«
»Wie kann ich das wissen? Wahrscheinlich einen uralten Ford.«
»Du wirst lachen, das letzte Modell von Cadillac, einen Wagen, der aussieht, wie ein Panzerkreuzer. Dazu hat er einen uniformierten Fahrer und einen Beifahrer.«
Dieser Mister Min begann mich zu interessieren. Ganz bestimmt war er ein nicht zu verachtender Verbündeter.
***
Jetzt kamen wir endlich dazu, uns die im Café Bohemia festgenommenen
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