0199 - Hyänen für den Henker
einer Anzeige bei der Polizei. Sie antwortete mir nur, ich solle mir das gut überlegen und ging. Zwei Stunden danach bekam ich ein Telefongespräch. Es war ein Mann, der sich mit den Worten meldete: Hier spricht das Syndikat. Sie wissen wohl, was das bedeutet. Wir vertreten die Interessen der jungen Frau, die Sie so schamlos im Stich gelassen haben. Wenn Sie uns nicht sofort weitere zehntausend Pfund aushändigen, wird ein Exklusivbericht über ihre gemeinsame Handlungsweise an eine der bekanntesten Zeitungen in London gehen. Sie werden dadurch für alle Zeit unmöglich gemacht.
Ich war einer Ohnmacht nahe, aber ich riss mich zusammen und erklärte dem Mann, diese zehntausend Pfund seien der Rest des Geldes, über das ich verfügen könne.
Er versprach, mich nach dieser Zahlung in Ruhe zu lassen und versicherte mir, ich würde von der ganzen Angelegenheit nichts mehr hören. Vereinbarungsgemäß lieferte ich einem Boten, der mich kurz darauf besuchte, den Scheck aus. Am gleichen Abend war ich zu einer Gesellschaft beim High Commissioner der Stadtpolizei geladen. Dort lernte ich den Polizeisenator kennen und brachte das Gespräch absichtlich auf die Organisation, die sich DAS SYNDIKAT nennt. Die Auskunft, die ich erhielt, war niederschmetternd. An diesem Tag wurde mir bereits klar, dass ich in den Händen unerbittlicher Ausbeuter war, die nicht zufrieden sein würden, bis sie mich bis zum Weißbluten geschröpft hatten. Es kam so, wie ich geahnt hatte. Heute Morgen wurde mir ein neues Ultimatum gestellt und als ich erklärte, ich verfüge über keine Mittel mehr, lachte der Mann am Telefon und meinte, er könne mir zehn Geldverleiher nachweisen, bei denen ich aufgrund meines Namens und im Hinblick auf die zu erwartende Erbschaft unbeschränkten Kredit habe. Er gab mir eine Frist bis morgen früh um zehn Uhr. Dann werde er seine, wie er sich ausdrückte, Reportage an sechs englische und an die größten Zeitungen der Vereinigten Staaten telegrafieren.
Das war das Ende. Ich schreibe Ihnen diesen Brief, in der Hoffnung, dass es Ihnen gelingen wird, die Erpresser zur Strecke zu bringen, aber ich bitte nochmals darum zu vermeiden, dass mein Name in diesem Zusammenhang genannt wird. Ihr ergebener Shawsburry.
»Was halten Sie davon?«, fragte Lieutenant Crosswing. »Hat nun ein skrupelloser Erpresser den Namen des Syndikats benutzt, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, oder steckt hinter dieser bodenlosen Gemeinheit diese Organisation, die zu fassen wir uns alle bemühen?«
»Darüber kann ich mir zurzeit noch kein Urteil erlauben«, erwiderte Mister High. »Ich rate Ihnen, den Wunsch des Toten, seinen Selbstmord auf augenblickliche Geistesverwirrung zurückzuführen, zu respektieren. Ich tue das nicht nur mit Rücksicht auf diesen bedauernswerten jungen Mann, sondern auch im Interesse der Untersuchung. Verschweigen Sie diesen Abschiedsbrief unbedingt. Nicht mal die nächsten Verwandten dürfen etwas davon erfahren. Die Erpresser müssen ahnungslos bleiben. Andererseits ist es dringend notwendig, die Hinterlassenschaft des Mister Shawsburry genau zu durchsuchen. Unter Umständen findet sich unter seinen Papieren noch etwas Aufschlussreiches.«
»Vor allem wäre zu berücksichtigen, dass verliebte junge Leute sich meistens ein Bild ihrer Angebeteten zu verschaffen. Wenn wir ein derartiges Bild finden oder nur ein paar Zeilen der Frau, die als Lockvogel diente, dürfte die Lösung des Rätsels nicht schwer sein.«
***
Wir kamen also überein, das zu tun, um was der Selbstmörder uns gebeten hatte. Niemand, am wenigsten die Presse, durfte etwas über die wahren Beweggründe des Selbstmords erfahren.
Dagegen wollten Phil und ich die Durchsuchung des Apartments im Waldorf Astoria übernehmen. Niemand sollte etwas davon ahnen. Mister High setzte sich mit dem General Manager in Verbindung und verpflichtete den zum Stillschweigen.
Lieutenant Crosswing seinerseits erbot sich, uns als gewöhnliche Detectives der Stadtpolizei ins Hotel einzuschmuggeln. Schließlich ist es ja auch bei einem Selbstmord üblich, dass die Beweggründe von der Polizei unter die Lupe genommen werden.
Vorsichtshalber fuhr der Lieutenant allein weg, und wir trafen ihn eine halbe Stunde später im Polizei-Hauptquartier in der Center Street. Dann begaben wir uns gemeinsam ins Hotel Waldorf Astoria.
Die Leiche war noch nicht weggebracht worden. Wir konnten uns davon überzeugen, dass einwandfrei Selbstmord vorlag. Die Wunde in der rechten
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