0199 - Hyänen für den Henker
Aston, heiraten. Shawsburry amüsierte sich nach besten Kräften, wie das einem jungen Mann der besten Gesellschaft zukommt, war jedoch als vollkommener Gentleman bekannt. Kein Mensch konnte sich erklären, warum er sich am Abend des Vortages eine Kugel durch den Kopf gejagt hatte.
»Kein Mensch« wäre zu viel gesagt.
Es gab einen kleinen Kreis von Leuten, die eine Ahnung von den Beweggründen des jungen Mannes zu diesem verzweifelten Entschluss hatten.
Es gab andere, die es genau wissen mussten, die aber hielten wohlweislich den Mund.
Auf dem Schreibtisch des Toten hatte man einen Briefumschlag gefunden, der an den Chef des Federal Bureau of Investigation, New York Disctrict, adressiert war. Diesen Brief hatte Lieutenant Crosswing, der Leiter der Mordkommission drei, gefunden, nachdem die Hotelleitung die Stadtpolizei mit der dem Ruf des Hauses angemessenen Diskretion benachrichtigt hatte.
Lieutenant Crosswing überlegte nicht lange. Er kam unter Außer-Acht-Lassung des Dienstweges zu uns und ließ sich bei Mister High melden.
Bereits zehn Minuten später waren auch Phil und ich unterrichtet und saßen zusammen mit dem Chef und dem Lieutenant in Mister Highs Dienstzimmer.
Phil las den Brief vor:
Sehr geehrter Herr, nachdem ich alles sorgfältig erwogen habe, fasse ich den Entschluss, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Es bleibt mir nut die Wahl zwischen Skandal und Tod, den ich vorziehe. Vielleicht wäre das zu vermeiden gewesen, wenn ich mich früher mit Ihnen in Verbindung gesetzt hätte, aber ich glaubte, die Angelegenheit - wenn auch mit erheblichen Opfern - auf meine Art regeln zu können. Das ist mir misslungen. Das Einzige, um was ich Sie bitte, ist Diskretion. Es wäre unvorstellbar, wenn meine Verwandten in England oder gar meine Braut, Miss Aston, über Einzelheiten unterrichtet werden würden.
Ich bitte Sie inständig, meinen Freitod durch eine plötzliche Geistesverwirrung zu erklären und zu motivieren. Trotzdem möchte ich nicht, dass die Erpresser, die mich dazu getrieben haben, straffrei ausgehen. Ich bin der Überzeugung, dass ich nicht ihr einziges Opfer bin und dass es ihnen darum gelingen dürfte, mich aus dem Spiel zu lassen.
Ich habe eine wahnsinnige Dummheit begangen. Auf einer Party lernte ich eine außerordentliche anziehende junge Dame kennen. Ihr Name: Lilo Spencer. Auf dieser Party war sie zusammen mit ihrer Tante Mrs. Broiler, einer reizenden und vornehmen alten Dame. Wir tanzten an diesem Abend viel zusammen und ich glaubte, sie zu lieben. Wir trafen uns öfter, und eines Tages eröffnete mir Miss Spencer, dass sie ein Kind erwartete. Sie schien verzweifelt, und ich erbot mich sofort, die Konsequenzen zu ziehen, alle Brücken hinter mir abzubrechen und sie zu heiraten.
Darauf erlitt sie einen Weinkrampf, und erst nach vielem Überreden gestand sie, dass sie bereits verheiratet sei, aber schon seit einem Jahr von ihrem Mann getrennt lebe. Allerdings wolle der sie nicht freigeben, er sei rasend eifersüchtig. Sie können sich sicherlich vorstellen, in welcher Verfassung ich nach dieser Eröffnung war. Bereits am nächsten Tag besuchte mich ihre Tante. Sie erklärte mir, es gäbe eine Möglichkeit, den Skandal abzuwenden. Der Ehemann, dessen Namen sie verschwieg, lebe in recht beschränkten Verhältnissen. Sie wolle versuchen, ihn zu einer Scheidung ohne Aufsehen zu veranlassen. Dazu jedoch brauche sie eine erhebliche Summe. Ich war damals zu allem bereit und bot ihr zehntausend Pfund Sterling an - einen Teil meines Privatvermögens, über das ich frei verfügen konnte. Ich schrieb ihr 34 sogar auf ihr Verlangen einen Scheck über diese Summe aus.
Am nächsten Tag rief sie mich an und sagte, die Sache sei so gut wie geregelt, aber ich dürfe ihre Nichte vorläufig nicht sehen, da der Ehemann sie wahrscheinlich beobachten lassen.
Am darauffolgenden Tag forderte sie erneut fünftausend Pfund mit der Begründung, der Mann verlange mehr.
Ich zahlte wieder. Dasselbe wiederholte sich noch zwei Mal und dann begann ich, misstrauisch zu werden. Ich beauftragte die Pinkerton Agency mit diskreten Nachforschungen und musste zu meinem Entsetzen erfahren, dass Miss Spencer ganz anders hieß und mit einem angesehenen Geschäftsmann, anscheinend glücklich, verheiratet war. Die Tante sei gar nicht ihre Tante. Sie wohnte in einem Apartment House am Central Park South unter den Namen Cromwell.
Bei ihrem nächsten Besuch sagte ich Mrs. Cromwell den Betrug auf den Kopf zu und drohte ihr mit
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