02 Arthur und der Botschafter der Schatten
weißt«, sagte ich, während ich mir den Mund mit einer der Papierservietten abwischte, die Pomet mitgebracht hatte.
»Es kam nach Ragusa vor langer Zeit. Doch die Spur hat sich verloren wie der Atem in der Luft.«
Das war nicht das, was ich hören wollte. Schon wieder war ich an jemanden geraten, der sich nur in Andeutungen erging, aber auf eine klare Frage keine klare Antwort gab. Ich fragte mich, ob das wohl eine Eigenschaft der Bewahrer war, denn dann würde ich mir das ebenfalls irgendwann zu eigen machen müssen.
Ich bezähmte meine Ungeduld. »Wo wurde das Buch denn zuletzt gesehen? Weißt du das wenigstens?«
»Ihr stellt die falschen Fragen, wenn ich das, mit allem Respekt, so sagen darf. Ich bin nur ein einfacher Mann, der keinen Zugang hat zur Gesellschaft der Wissenden. Man hört hier und da das eine und andere, doch reicht es nicht aus für ein klares Bild.«
»Also hast du überhaupt keine Ahnung, wo das Buch stecken könnte?« So langsam wurde ich ärgerlich.
Er merkte wohl, wie ernst es mir war. Sein ewiges Lächeln verschwand für einen Moment. »Wüsste ich es, dann wäre das Buch nicht in Gefahr. Doch kenne ich nur einen Teil der Wahrheit, und die gebe ich preis, wenn Euch damit geholfen ist. Das Buch kam einst aus Córdoba. Seitdem ist es durch viele Häuser hier gewechselt, den Suchern zu entgehen. Ragusa blühte und verging in diesen Jahren, und so verliert sich manche Spur. Ihr seid es, der mich führt, werter Herr, nicht umgekehrt.«
Ich wollte ihm gerade eine passende Antwort geben, als in der Gasse zwei Gestalten auftauchten, die mir nur zu bekannt waren: die Karasamoffs. Es blieb keine Zeit mehr, mich zu verstecken. Ich konnte lediglich hoffen, dass sie ihren Blick nicht zu mir richten würden.
Um mein Gesicht vor ihnen zu verbergen, drehte ich den Kopf ganz von der Gasse weg und flüsterte in Pomets Ohr: »Die zwei gleich aussehenden Männer, die dort kommen. Sie arbeiten für die Sucher. Und sie kennen mich.«
Geistesgegenwärtig beugte er sich vor, um mir noch mehr Deckung zu geben. Mein Herz raste in meiner Brust und der Schweiß lief mir noch heftiger von der Stirn als zuvor. Schließlich stieß Pomet mich an. »Sie sind vorbei.«
Ich sprang auf. »Nichts wie weg hier!«, rief ich. Wir kletterten die Stufen hinab und gingen die Gasse in entgegengesetzter Richtung hinunter. Ich glaubte mich schon gerettet, als ich einen Ruf hörte. Ein Blick über die Schulter bestätigte meine schlimmsten Erwartungen. Die beiden Ganoven hatten mich entdeckt und kamen hinter uns hergelaufen.
Pomet hatte das ebenfalls mitbekommen. Er drückte mich nach links in eine Gasse, die nach etwa vierzig Metern in eine Treppe überging, die in einen Torbogen mündete. Dabei lief er so leichtfüßig neben mir her, als würde er jeden Tag die Anhöhen von Dubrovnik emporjoggen.
Die Karasamoffs waren nicht weit hinter uns, als wir den Bogen erreichten. Gleich dahinter machte die Gasse einen leichten Knick, bevor erneut eine Treppe folgte. Zur Rechten öffnete sich ein schmaler Durchgang, den man nicht sehen konnte, wenn man nicht direkt vor ihm stand.
Pomet zog mich hinein. Der Weg schien nach zwanzig Metern an einer Mauer zu enden. Ich wollte schon protestieren, als Pomet kurz davor links einbog. Hier mündete eine weitere versteckte Gasse.
Die Häuser in dieser Gegend waren deutlich weniger gepflegt als unten in der Stadt. Eine Steinmauer zwischen zwei Gebäuden war teilweise eingestürzt. Pomet kletterte durch die Öffnung und ich folgte ihm. Vor uns lag eine Wiese, die bis fast an die Stadtmauer anstieg. Hier hatten früher einmal ebenfalls Häuser gestanden, von denen jetzt nicht viel mehr übrig war als ein paar bröckelnde Wände. Dazwischen stand noch eine Treppe, die ins Nirgendwo führte.
Wir liefen die Wiese hinauf und kletterten auf einer der Ruinen so hoch, dass wir das Geländer der Stadtmauer mit den Händen greifen konnten. Pomet zog sich als Erster nach oben und über die Brüstung, dann reichte er mir die Hand und half mir ebenfalls hinüber.
Die Stadtmauer führte einmal ganz um Dubrovnik herum. An ihren breitesten Stellen bot sie genügend Platz für ganze Touristengruppen, und selbst da, wo sie besonders schmal war, konnten zwei Personen bequem aneinander vorbeigehen. Die Mauer besaß keine einheitliche Höhe. Mal stieg sie an, mal senkte sie sich wieder. Wer die Stadt auf ihr umrunden wollte, hatte eine Menge Treppen auf und ab zu gehen.
An dieser Stelle stieg die Mauer an und
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