02 Arthur und der Botschafter der Schatten
Fremden zu treffen«, erklärte sie. »Wir werden alles, was geschieht, in Bild und Ton aufzeichnen.«
»Gut, dass du dich wieder abgeregt hast«, kommentierte ich. »So gefällst du mir viel besser.«
Larissa blickte auf. »Tut mir leid, Arthur, aber deine Gefühle interessieren mich im Moment nicht besonders.«
Das saß.
Sie musste mir angesehen haben, dass mich ihre Bemerkung getroffen hatte. »Du darfst das nicht falsch verstehen«, fügte sie hinzu. »Hier geht es um meine Eltern. Das ist für mich wichtiger als alles andere auf der Welt.«
Mir lag eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, aber ich konnte mich gerade noch zurückhalten. Ich wusste, wenn Larissa sich erst einmal auf eine Sache versteift hatte, war sie nur schwer davon abzubringen. Das Beste war, den Dingen ihren Lauf zu lassen.
»Okay«, nickte ich und bemühte mich um einen normalen Ton. »Wir nehmen also alles auf. Und dann?«
»Dann werden wir sehen.« Sie war mit dem Kopf erneut in einer Kiste verschwunden.
»Meinst du nicht, es wäre besser, wenn ich die Verhandlungen mit unserem Unbekannten führe?«, fragte ich vorsichtig. »Ich bin gefühlsmäßig nicht so beteiligt wie du.«
Larissa tauchte mit weiteren Kabeln aus der Kiste auf. »Ich wünsche mir nichts mehr, als meine Eltern wiederzusehen«, sagte sie. »Aber ich werde den Teufel tun und den Unbekannten das merken lassen.« Sie lächelte mich an. »Trotzdem danke für das Angebot.«
Ich trat hilflos von einem Bein auf das andere. Larissa war auch in normalen Situationen oft ein Rätsel für mich. Allerdings konnte ich mich inzwischen recht gut darauf einstellen. Nach unseren Abenteuern in Amsterdam und Bologna hatte sich mein Verhältnis zu ihr deutlich verbessert. Aber heute war es wieder wie bei unserer ersten Begegnung: Ich wurde einfach nicht schlau aus ihr. Und dass sie sich von mir nicht helfen lassen wollte, machte alles nur noch schlimmer.
Also ließ ich sie in Ruhe ihre Sachen zusammenkramen und verzog mich auf mein Zimmer. Irgendwann kam sie dann vorbei und drückte mir eine von zwei Sporttaschen in die Hand. »Ich habe alles, was wir brauchen. Wir können los.«
Die erste Kamera befestigten wir mit Klebeband im Geäst eines niedrigen Baums, der direkt neben der Schillerbüste stand. »Damit haben wir den Bereich von der Lampe bis zum Tunnel abgedeckt.« Larissa deutete auf die Bogenleuchte, die wenige Meter vor dem Tunneleingang aufragte. »Und die andere packen wir hier neben den alten Schiller. So können wir ihn eigentlich nicht verfehlen.«
Wir verkabelten die beiden Kameras mit einem Kasten, den wir tiefer im Gebüsch versteckten. Das war der Computer für die Aufzeichnung. Seinen Strom bezog er aus einem fetten Batteriepack, das von grauem Klebeband zusammengehalten wurde. »Eigene Erfindung von mir«, sagte Larissa stolz. Nach dem Anschluss der Kabel wickelten wir alles in dicke Klarsichtfolie ein.
»Jetzt zum Sound!« Ein einsamer Schwan sah uns vom Teich aus dabei zu, wie wir vier Mikrofone rund um die beiden Kameras verteilten und mit einem kleinen digitalen Mehrspurrekorder verbanden, den wir ebenfalls in den Büschen unterbrachten.
Schließlich hatten wir unsere Vorbereitungen abgeschlossen. Inzwischen war es fast acht Uhr. Es lagen nur noch wenige Stunden bis zum Treffen mit dem Unbekannten vor uns. Larissas Plan sah vor, kurz vor Mitternacht hierhin zurückzukehren und die Überwachungsgeräte zu aktivieren. Wir verstauten die leeren Sporttaschen im Unterholz und machten uns auf den Heimweg. Larissa war, wie den ganzen Nachmittag schon, ausgesprochen wortkarg.
Als wir im Haus des Bücherwurms eintrafen, war der gerade in der Küche dabei, den Abendbrottisch zu decken.
»Wo habt ihr denn gesteckt?«, wollte er von uns wissen.
»Wir haben ein paar Experimente durchgeführt«, erklärte Larissa. Der Alte war mit der Antwort zufrieden. Die Experimentierwut seiner Enkelin war ihm bekannt, und er hütete sich, näher nachzufragen. Das hatte nämlich üblicherweise eine langatmige Ausführung zur Folge.
Seine mangelnde Neugier passte uns gut in den Plan. Nach dem Abendessen verzogen wir uns auf unsere Zimmer. Ich vertiefte mich in ein Buch über den Jemen, das ich mir aus der Buchhandlung mitgenommen hatte. Kurz vor elf hörte ich, wie der Bücherwurm sich zum Schlafen fertig machte und in seinem Zimmer verschwand. Wenige Minuten später trafen Larissa und ich uns unten im Flur und machten uns auf den Weg.
Im Park war es gespenstisch leer. Jede zweite
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