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02 Arthur und der Botschafter der Schatten

02 Arthur und der Botschafter der Schatten

Titel: 02 Arthur und der Botschafter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Lampe war kaputt; so gab es mehr Schatten als Licht. Larissa marschierte zielstrebig auf unseren Treffpunkt zu, und ich hatte Mühe, Schritt zu halten. Ein leichter Wind ließ die Büsche am Wegrand rascheln und vom Teich her waren glucksende Geräusche zu vernehmen. Mir lief ein Schauer den Rücken herunter, und ich war froh, nicht allein zu sein. Erneut wurde mir klar, dass ich nicht zum Helden geboren war.
    Als wir die Schillerbüste erreicht hatten, seufzte ich erleichtert auf. Die Lampe vor dem Tunnel funktionierte wenigstens, auch wenn sie immer mal wieder einen kurzen Aussetzer hatte. Larissa aktivierte die Überwachungstechnik; dann setzten wir uns auf die Bank und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
    Uns war beiden nicht nach Reden zumute. Larissa war in Gedanken versunken, und ich hatte genug damit zu tun, jedes kleinste Geräusch und jede winzigste Bewegung in unserer Nähe zu analysieren. Mal glaubte ich das Knirschen von Schuhsohlen im Unterholz zu vernehmen, mal irgendwelche Gestalten zu sehen, die nur darauf warteten, uns in ihre schmierigen Finger zu bekommen. Manchmal kann zu viel Fantasie ganz schön nervig sein.
    Die Minuten kamen mir wie Stunden vor. Ich fragte mich gerade, ob der Unbekannte uns wohl versetzt hatte, als sich die Luft um uns herum erwärmte. Es war so, als hätte jemand neben uns einen Heizlüfter aufgestellt, der uns seinen Strahl direkt ins Gesicht blies.
    Wir sprangen auf. Aus dem Schatten des Tunnels löste sich eine dunkle Gestalt, die im trüben Licht der Lampe nur schwer zu erkennen war. Der Fremde (ich war sicher, dass es sich um einen Mann handelte) verharrte etwa einen Meter von uns entfernt. Ich kniff die Augen zusammen, um ihn besser sehen zu können. Aber es wollte mir nicht gelingen, einen klaren Eindruck von ihm zu bekommen. Er war wie das Bild eines schlecht eingestellten Fernsehers: Egal, wie genau man hinschaute, es wurde nie richtig scharf.
    Die Gestalt löste ein unerklärliches Ekelgefühl bei mir aus. Ich spürte Schweißtropfen auf meiner Stirn, ob wegen der plötzlichen Hitze oder aus Angst, konnte ich nicht sagen. Nur Larissa schien von dem Fremden gänzlich unbeeindruckt zu sein.
    Er blieb am Rand des Lichtkegels der Lampe stehen.
    »Du bist nicht allein gekommen.«
    Die Stimme des Unbekannten war mit nichts zu vergleichen, was ich jemals gehört hatte. Sie war tief und schwarz wie die Nacht. Jeder Laut brachte mein Zwerchfell zum Vibrieren, wie ein E-Bass aus zu weit aufgedrehten Boxen. Zugleich besaß die Stimme aber auch etwas Samtiges, Weiches, das sich wie ein sanftes Tuch um meinen Körper legte. Es schmeichelte mir allerdings nicht, sondern rief ein Gefühl der Beklemmung hervor. Ich fragte mich, ob Larissa das ebenso empfand wie ich.
    »Das ist mein Freund Arthur«, sagte sie.
    »Er ist ein Bewahrer.«
    »Na und?« So leicht ließ sich Larissa nicht einschüchtern.
    Der Fremde schwieg einen Moment, so als sei er von Larissas Forschheit verblüfft. Sie schien seinem Bann nicht zu erliegen. Mir dagegen wurde immer enger um die Brust. Woher wusste der Fremde, dass ich ein Bewahrer war? Dafür gab es nur eine Erklärung: Er musste die Geschichte der Vergessenen Bücher kennen – und meine Geschichte auch. Diese Vorstellung trieb mir neue Schweißperlen auf die Stirn.
    Larissas nächste Frage unterbrach meine Gedanken. »Und wer bist du? Wie ist dein Name?«
    »Dort, wo ich lebe, gibt es keine Namen und Titel«, erwiderte er. »Wir sind, was wir sind.«
    »Ha!«, rief sie. »Das reicht mir nicht! Einen auf mysteriös machen, um sich um klare Antworten herumzudrücken. Da musst du dich schon etwas mehr anstrengen.«
    Ich wusste, dass Larissa ihre Verwegenheit nur spielte, und bewunderte sie dafür. Sie hatte sich vorgenommen, keine Schwäche zu zeigen. Bis jetzt gelang ihr das sehr gut. Die Gestalt streckte einen Arm aus. Gleichzeitig verschwamm sie noch weiter, als würde sie sich gleich auflösen. Doch im letzten Augenblick zog der Fremde seinen Arm zurück, und sein Körper nahm wieder mehr Kontur an.
    »Das sind nur Worte«, sagte er. »Und Worte bringen deine Eltern nicht zurück. Dafür braucht es Taten. Bist du bereit, diese Taten zu vollbringen?«
    »Du hast also Informationen über meine Eltern?«, fragte Larissa.
    »Ich habe das, wonach du nach vielen Jahren suchst«, antwortete die Gestalt.
    Mir fiel auf, dass der Fremde keine Frage direkt beantwortete. Er hatte uns weder gesagt, wer er war, noch hatte er bestätigt, dass Larissas

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