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02 Arthur und der Botschafter der Schatten

02 Arthur und der Botschafter der Schatten

Titel: 02 Arthur und der Botschafter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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nicht gerechnet: dass jemand die Vergessenen Bücher aus ihrer Stadt entführen würde. Genau das aber ist geschehen. Damit wurden sie ihrer mächtigsten Waffe beraubt.«
    Der Bücherwurm blätterte weiter in dem dünnen Bändchen. »Außerdem steht hier, was in den ungezählten Jahrhunderten seit ihrer Verwandlung passiert sein soll. Die Schatten haben, weil sie körperlose Wesen sind, den Bezug zur Realität verloren und sind dem Wahnsinn verfallen. Das macht sie besonders gefährlich.«
    »Hat sie denn schon wirklich einmal jemand gesehen?«, fragte ich. »Oder sind das alles nur Legenden?«
    Der Alte schlug das Büchlein zu und pochte mit dem Finger darauf. »Wie ich bereits sagte: Niemand weiß, ob das stimmt, was hier geschrieben steht. Für mich hört es sich wie eine fantastische Erzählung an. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – sind die Schatten bei Bewahrern wie Suchern gleichermaßen gefürchtet. Es hat immer wieder Gerüchte gegeben ... Nur hat keiner, der angeblich mit den Schatten zu tun hatte, seine Begegnung mit ihnen überlebt.«
    »Sehr praktisch«, kommentierte ich. »Es kann sich also auch nur um Aberglauben handeln.«
    »Durchaus.« Der Bücherwurm packte den schmalen Band zurück in den Tresor und schloss ihn ab. »In der Welt der Vergessenen Bücher ist allerdings vieles möglich. Deswegen sollte man alles ernst nehmen, bis das Gegenteil bewiesen ist.«
    »So wie Pontus Pluribus«, sagte ich.
    Der Alte schnaubte verächtlich. »Pluribus ist ein Waschweib. Da sind mir die Slivitskys fast noch lieber als er! Sobald er nur den Hauch eines Gerüchtes vernimmt, taucht er aus seinem Loch auf und macht alle verrückt. Zum Glück ist er ansonsten harmlos.«
    Ich nickte. Trotz seines furchterregenden Äußeren glaubte auch ich nicht daran, dass von Pluribus eine ernst zu nehmende Gefahr ausgehen könnte.
    Wie sich schon bald herausstellen sollte, war das ein verhängnisvoller Irrtum.

 
    Die Schillerbüste war ein überlebensgroßer Bronzekopf, der fast komplett von einer grünen Patinaschicht bedeckt war. Er stand auf einem Sockel in einem vergessenen Winkel des Stadtparks. Der Stadtrat war irgendwann einmal der Meinung gewesen, ein wenig Kultur könnte den lustwandelnden Bürgern nur guttun. Also wurde der nördliche Rundgang kurzerhand zum Literatenweg erklärt und im Abstand von jeweils zwanzig Metern wurden die Köpfe berühmter deutscher Dichter aufgestellt. Schiller, Goethe, Lessing, Hölderlin – das ganze Programm.
    Spätere Stadtväter konnten oder wollten den Überlegungen ihrer Vorgänger wohl nicht folgen. So rotteten die Dichter nun schon seit vielen Jahren still vor sich hin, weil kein Geld für ihre Pflege da war. Dafür hatten wir kürzlich ein drittes Einkaufszentrum in der Innenstadt bekommen. Jetzt drängten sich die Bürger in klimatisierten Fluren und der Stadtpark verfiel.
    Larissa und mir kam das ganz gelegen. Der Norden des Parks war um diese Zeit (es war etwa sechs Uhr abends) sowieso selten bevölkert. Heute war er nahezu leer. Wir ließen unsere Taschen auf eine zerkratzte Holzbank neben der Schillerbüste fallen. Vor uns lag das schmale Ende des namenlosen Teiches, der das Herz des Parks bildete. Rechts von uns verschwand der Fußweg nach wenigen Schritten in einem Tunnel, aus dem Uringeruch zu uns herüberwehte. Zur linken Hand konnte man in etwa zwanzig Meter Entfernung die Lessingbüste sehen, um die herum sich der Weg schlängelte.
    Der Treffpunkt war vom Unbekannten gut gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, an dieser Stelle von jemandem gestört zu werden, war gering. Selbst für moderne Wegelagerer lohnte es sich nicht, sich hier auf die Lauer zu legen, weil sie die ganze Nacht vergeblich auf ein Opfer warten würden.
    »An die Arbeit!« Larissas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Tasche und zog einen kleinen, kaum handtellergroßen Kasten hervor. »Wo bringen wir die am besten an?« Es handelte es sich um eine von zwei Infrarotkameras, die sie aus ihrem fast unerschöpflichen Vorrat technischer Gerätschaften hervorgezaubert hatte.
    Nach dem Gespräch im Buchladen war ich zum Haus des Bücherwurms geeilt, wo Larissa in der Mitte ihres Zimmers bereits einen Stapel aus Kabeln und allerlei Apparaten aufgehäuft hatte. Als ich eintrat, schraubte sie gerade am Metallgehäuse eines Computers herum.
    »Was hast du vor?«, fragte ich.
    »Ich denke nicht daran, mich ohne Vorsichtsmaßnahmen nachts im Stadtpark mit einem

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