02 Arthur und der Botschafter der Schatten
der Vierlinge, und unser Mann stieg hinten zu uns ein. Pluribus und der letzte der Brüder befanden sich in dem anderen Wagen.
Kaum war die Tür hinter uns zugefallen, als die Fahrer auch schon Gas gaben. Wir verließen die Altstadt auf derselben Straße, die ich bei meiner Ankunft hereingelaufen war. Es schien mir Ewigkeiten her zu sein, dabei war seitdem gerade einmal ein Tag vergangen.
Die Morgendämmerung begann den Nachthimmel zu vertreiben. Niemand im Auto sprach. Wir fuhren am Hafen vorbei und dann einen Hügel empor, entlang an kleinen Häusern und prächtigen Villen. Dies war die Halbinsel Lapad, die Touristenregion von Dubrovnik und gleichzeitig der Wohnsitz vieler Millionäre. Vor einer Steinmauer mit einem gusseisernen Flügeltor stoppten die Fahrzeuge.
Unser Fahrer zog sein Handy heraus und wählte eine Nummer. Dann sprach er einige Worte auf Kroatisch, und das Tor vor uns öffnete sich. Wir fuhren einen gepflegten Kiesweg hoch, der von Palmen und Zedern gesäumt wurde, und hielten vor einer Villa an. Sie war gewiss zwanzig Meter breit und aus dem gleichen Stein gemauert wie die Häuser in der Altstadt. Die rotbraunen Holzfenster waren lang und schmal und liefen in maurischen Bögen aus.
Vor der geöffneten Tür warteten zwei Männer mit kantigen Gesichtern auf uns. Sie trugen spiegelnde Sonnenbrillen, dunkelblaue Anzüge, weiße Hemden und blaue Krawatten. Ihre Haare waren fast bis auf die Kopfhaut abrasiert.
»Bodyguards«, flüsterte mir Larissa zu, während uns unser Bewacher aus dem Auto scheuchte. »Hier muss ein wichtiger Mensch wohnen.«
Ich fand das nicht sehr beruhigend. Die Gorillas standen nicht da, um uns zu beschützen, sondern um uns an der Flucht zu hindern. Und sie waren ein anderes Kaliber als Pluribus oder die Vierlinge, das erkannte ich sofort.
Die Vogelscheuche und die Karasamoffs trieben uns durch die Tür in eine große Vorhalle. Der Boden war mit teuren Fliesen bedeckt, und schlanke Marmorsäulen mit Verzierungen aus Blattgold bildeten ein Spalier vor einer Treppe, die nach oben führte.
Die beiden Gorillas geleiteten uns nach rechts in einen langen Raum, der auf einer Seite fast völlig verglast war und den Blick auf einen parkähnlichen Garten mit Säulenreihen und einem Springbrunnen in der Mitte freigab. Wer hier wohnte, musste über einiges Kleingeld verfügen.
Bis auf einen polierten Konferenztisch, ein Dutzend Stühle und ein Sideboard war der Raum leer. Wir nahmen, ebenso wie die Karasamoffs und Pluribus, Platz. Die beiden Bodyguards bauten sich rechts und links von der Tür auf und verschränkten die Hände hinter dem Rücken.
Die Vierlinge schienen mit ihren schwarzen Anzügen und dünnen Lederkrawatten auf die Welt gekommen zu sein. Egal, welches Land und welches Wetter, sie sahen stets gleich aus. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich über ihren Anblick gelacht.
»Wo sind wir hier?«, fragte Larissa.
Pluribus, dem noch das verkrustete Blut auf der Backe klebte, lächelte böse. »Da, wo dir dein Opa und deine Bewahrer nicht helfen können. Das hier ist das Haus von Stjepan Marković.«
»Wer immer das auch sein mag«, murmelte ich.
»Oha! Solltest du nicht auf dem Laufenden sein?« Pluribus genoss die Situation sichtlich.
Larissa zog das Handy aus der Tasche. Einer der Vierlinge sprang auf, um es ihr abzunehmen, aber sein Boss winkte ab. Sie rief den Browser auf und gab den Namen unseres Gastgebers ein.
»Stjepan Marković«, las sie vor. »Gilt als Kopf der Unterwelt von Dubrovnik und einer der mächtigsten Männer Kroatiens. War früher bei einer Spezialeinheit der Armee und hat nach dem Zerfall Jugoslawiens einen eigenen Sicherheitsdienst aufgebaut, der sein Geld mit Erpressungen, Waffenschmuggel und illegalen Musik- und Filmangeboten im Internet verdient. Allerdings konnte ihm bislang nie etwas nachgewiesen werden. Inzwischen handelt er mit Immobilien und Kunstwerken, besitzt eine Brauerei und diverse weitere Unternehmen, die ihm erlauben, sein ungesetzlich erworbenes Geld zu waschen.«
»Nicht schlecht.« Pluribus nickte anerkennend. »Wenn auch nur unzureichend beschrieben. Zumindest wisst ihr jetzt, mit wem ihr es zu tun habt.«
»Und was für Geschäfte machen Sie mit ihm?«, fragte ich den Hageren. »Marković scheint mir doch eine ganz andere Kragenweite zu sein als Sie.«
»Kunstwerke«, erinnerte mich Larissa. »All das Zeug, das er und seine Helfer aus Córdoba gestohlen haben. Das muss doch Millionen wert sein.
Weitere Kostenlose Bücher