02 Arthur und der Botschafter der Schatten
lesen kann, so werden wir schon bald uns wiedersehen.«
»Du hast dem Buch der Wege etwas entnommen?«, frage ich entgeistert. »Und hältst es nicht einmal für nötig, uns darüber zu informieren?«
»Weil es nicht Euch betrifft, sondern nur mich. Nun seid gegrüßt zum letzten Mal für diesen Tag. Und seid bedankt dafür, dass ich die Sonne spüren durfte auf meiner Haut.«
Er nahm die Bücher auf, winkte uns zu und verschwand um die Ecke des Cafés. Ich blickte ihm nachdenklich hinterher. Hoffentlich war es nicht falsch gewesen, ihm zu vertrauen. Andererseits war daran nun auch nichts mehr zu ändern.
Ich ließ mich wieder in meinen Stuhl fallen und unterdrückte ein Gähnen. Seit beinahe sechsunddreißig Stunden war ich jetzt ohne Schlaf auf den Beinen. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Auch Larissa hielt sich die Hand vor den Mund. Vor uns auf dem spiegelglatten Meer zog ein kleines Fischerboot vorbei. Hinter der Insel Lokrum schob sich der Bug eines riesigen Kreuzfahrtschiffs hervor, das auf dem Weg in den Hafen von Dubrovnik war.
Für einige Minuten hingen wir jeder unseren eigenen Gedanken nach. »Dafür, dass wir das Buch der Wege gesucht haben, mussten wir ziemlich viele Umwege machen«, sagte Larissa schließlich.
Darüber hatte ich auch bereits nachgedacht. Nahezu alle Spuren, denen wir gefolgt waren, hatten sich als falsch erwiesen. Und doch hatten sie uns am Ende an unser Ziel geführt.
»Vielleicht ist es das, was wir lernen sollten«, spekulierte ich. »Der direkte Weg ist nicht immer der beste.«
»Das hört sich ziemlich philosophisch an«, grinste sie.
»Aber ist es nicht so, dass wir nur durch den Umweg über Córdoba und Cádiz nach Marseille gekommen sind, wo wir Markovićs Tochter helfen konnten? Und wären wir ohne seine Hilfe in Dubrovnik nicht ganz schön baden gegangen? Außerdem hat mich das Buch aus dem Viana-Palast zur Rolandssäule geführt, auf der die Hinweise auf St. Roch standen. Und wir haben den Mauren getroffen und eine Menge über die Vergessenen Bücher gelernt. Zum Beispiel, wie sie damals nach Córdoba gelangt sind. Das Wissen wird uns vielleicht noch einmal nützlich sein.«
»Mag sein«, sagte Larissa, die wieder ernst geworden war. »Obwohl ich noch nicht sehen kann, was es mir bei der Suche nach meinen Eltern nutzen soll.«
»Du hast die Antwort des Buches der Wege gesehen«, erinnerte ich sie. »Und die hättest du ohne diese Umwege nicht bekommen.«
»Bilder, die alles oder nichts bedeuten können!«, rief sie. »Eine Pforte in der Wüste – das hilft mir nicht weiter. Ich muss wissen, wo diese Pforte ist.«
»Das müssen wir herausfinden«, pflichtete ich ihr bei. »Aber hast du nicht auch eine Jahreszahl gesehen? Die vom nächsten Jahr? Das heißt, wir haben eine Menge Zeit, die Suche nach deinen Eltern vorzubereiten.«
»Ich soll ein Jahr warten? Vielleicht sind meine Eltern bis dahin schon tot!« Da war sie wieder, die ungeduldige Larissa.
»Das Buch der Wege hat dir seinen Rat gegeben«, sagte ich. »Das nächste Jahr ist für die Befreiung deiner Eltern am besten geeignet.« Ich beugte mich zu ihr hin. »Ich weiß, wie schwer es dir fällt, so lange zu warten. Aber wenn wir erneut auf die Schatten treffen, sollten wir besser vorbereitet sein als diesmal.« Ich machte eine kleine Pause. »Hast du deine Meinung über ihn inzwischen eigentlich geändert? Oder glaubst du immer noch, dass er aus Fleisch und Blut ist, so wie du und ich?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte sie und seufzte. Das war für Larissa schon ein revolutionäres Eingeständnis. Normalerweise wusste sie nämlich alles ganz genau.
Mir fiel etwas ein, was ich sie bereits länger hatte fragen wollen. »Diese E-Mail-Adresse, die dir der Schatten gegeben hat …«
»Habe ich natürlich gleich als Erstes überprüft«, unterbrach sie mich.
»Und?«
»Ich habe die Spur einer meiner Mails mit einem Tracer-Programm verfolgt. Sie endete bei einem Mailserver in Husun al Jalal im Jemen. Das ist ein kleines Kaff am Rand der Großen Wüste.«
»Ein Schatten mit E-Mail-Konto, das ist schon merkwürdig«, sinnierte ich.
»Ich denke, dass er menschliche Helfer hat. Du hast ihn ja gesehen. Er kann herumwabern und viel Wind machen, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie er ein Mailprogramm bedient«
»Meinst du denn, dass wir ihn wiedersehen?«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Wenn wir in die Wüste reisen, werden wir nicht nur einen von ihnen
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