Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Arthur und der Botschafter der Schatten

02 Arthur und der Botschafter der Schatten

Titel: 02 Arthur und der Botschafter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
Vom Netzwerk:
bedeutet es für euch?« Sein Blick war berechnend geworden. »Was macht das Buch so wertvoll, dass ihr dafür durch halb Europa reist?« Er streckte mir eine Hand entgegen. »Kann ich es einmal sehen?«
    Zögernd händigte ich ihm den schmalen Band aus. Während er das Buch von allen Seiten genau betrachtete und darin blätterte, legte ich mir eine Geschichte zurecht, die einigermaßen glaubwürdig klang.
    »Es ist eine Familiensache«, schwindelte ich, als er die Untersuchung beendet hatte. Ich dachte mir, dass er für ein solches Argument vielleicht Verständnis haben würde. »Dieses Buch gehörte einmal Larissas Großvater. Dann wurde es ihm gemeinsam mit anderen Büchern von Leuten wie Pluribus gestohlen.«
    »Und dafür riskiert er das Leben seiner Enkelin? Um diese alten Schwarten wiederzubekommen?« Marković war nicht überzeugt.
    »Er weiß nichts davon, was wir wirklich machen«, log ich weiter. »Larissa und ich wollen ihm die Bücher als Überraschung zu seinem 65. Geburtstag schenken.«
    Er war immer noch skeptisch. »Bitte«, flehte ich ihn an. »Großmut und Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren waren doch die Tugenden, die Ragusa stets auszeichneten.«
    Das belustigte ihn. »Nicht dumm, Kleiner, an meine Ehre als Einwohner von Dubrovnik zu appellieren. Aber was ist, wenn ich darauf pfeife?«
    »Das tun Sie nicht«, sagte ich. Inzwischen war ich von der Leiter herabgeklettert und stand vor ihm. Vor seiner breiten Gestalt kam ich mir wie ein hilfloser Gnom vor. Aber ich riss all meinen verbliebenen Mut zusammen und sah ihm direkt in die Augen.
    »Sie sind ein Ehrenmann. Sie sammeln diese Bücher, weil sie Dubrovnik etwas geben wollen. Also müssen die Traditionen der Stadt von Bedeutung für Sie sein.«
    »Da hast du recht.« Zu meiner großen Erleichterung trat er ans Fenster. Viel länger hätte ich seinem Blick nicht mehr standgehalten.
    »Dieses Haus und dieser Garten gehörten einmal meinen Vorfahren«, sagte er nach einer kleinen Pause, ohne sich zu mir umzudrehen. »Sie waren Kaufleute, deren Geschäfte lange sehr gut liefen. Aber dann wurden die Zeiten schlechter und sie haben das Haus vor über hundert Jahren an einen rücksichtslosen Rivalen verloren. Ich bin auf der anderen Seite des Hafens aufgewachsen, aber wann immer ich Zeit hatte, bin ich hier vorbeigekommen und habe geschworen, dass das Haus eines Tages wieder im Besitz unserer Familie sein würde. Und so ist es dann auch geschehen.«
    Marković spazierte nachdenklich am Fenster entlang. »Ich bewege mich außerhalb der Gesetze, wie du wohl unschwer erkannt haben wirst. Das ist der Weg, den ich gewählt habe, und dazu stehe ich. Ich tue das, was ich für notwendig erachte, um meine Position zu sichern. Und doch fühle ich mich meiner Familie verpflichtet, die seit vielen Jahrhunderten an diesem Ort lebt. Und meiner Tochter, die hoffentlich einmal hier leben wird.«
    Er kehrte zum Tisch zurück, neben dem ich stand, und hielt mir das Buch hin. »Du kannst es behalten. Sieh es als ein Geschenk der Republik, die nicht mehr existiert, an euch. Eine Erinnerung an jene Zeit, als Ragusa die Meere beherrschte.«
    Ich atmete tief durch. Mein Einsatz hatte sich gelohnt. Trotzdem traute ich Marković nicht über den Weg. Unter all seiner Freundlichkeit spürte ich Kälte und Brutalität, und ich war froh, als wir sein Haus endlich verlassen konnten.
    So kam es, dass Larissa und ich nun jeder ein Buch besaßen, welches das Buch der Wege sein konnte. Deshalb hatten wir Pomet gebeten, uns zu helfen. Nachdem Markovićs Leute mit dem Buch, das sie Pluribus am Flughafen abgenommen hatten, wieder zurückgekehrt waren, hatte uns der Gangsterboss durch einen seiner Fahrer zum Pile-Tor bringen lassen. Kaum hatten wir das Stadttor durchschritten, war der Narr auch schon aufgetaucht.
    Jetzt saß er hinter uns am Tisch und studierte die beiden Bände gründlich. Viel zu sehen gab es bei dem Buch, das ich in Markovićs Bibliothek gefunden hatte, allerdings nicht. Es bestand in erster Linie aus einer Reihe von merkwürdigen Figuren und Klecksen, die keinen erkennbaren Sinn ergaben und aussahen, als habe jemand einen Pinsel mit Tinte über den Seiten ausgeschüttelt. Nur mit viel Fantasie ließ sich eine bekannte Form hineininterpretieren. Außerdem kam es mir so vor, als veränderten sich die Muster auf den Seiten ständig. Hatte ich vorher geglaubt, die Umrisse eines Schmetterlings zu erkennen, so sah ich nun eine Spinne in derselben Figur. Wenn das

Weitere Kostenlose Bücher