02 Arthur und der Botschafter der Schatten
»Ich verkaufe sie Ihnen.«
Marković lächelte triumphierend. »Und wie lautet dein Preis?«
»Die Lieferung, die Sie von Pluribus aus Córdoba bekommen haben.«
Das Lächeln auf seinem Gesicht fror ein. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Weißt du, was ich dem Mann dafür bezahlt habe?« Seine Stimme hatte wieder den leicht drohenden Unterton angenommen. Aber Larissa ließ sich nicht einschüchtern.
»Dann fragen Sie Branko, was meine Programme seiner Meinung nach wert sind«, entgegnete sie.
Marković strich sich mit den Fingern über das Kinn. Dann hellten sich seine Züge auf.
»Das brauche ich nicht. Du bist eine harte Verhandlungspartnerin. Das schätze ich.« Er beugte sich vor. »Allerdings bin ich neugierig. Warum wollt ihr die Sachen haben?«
»Wir haben einem Freund von uns versprochen, ihm den Container unbeschädigt zurückzubringen«, erklärte ich. »Er hätte das Diebesgut bereits in Spanien beschlagnahmen lassen können. Das hat er nicht getan, um uns zu helfen. Und jetzt halten wir unseren Teil der Abmachung ein.«
»Außerdem wartete in Rijeka die Polizei auf den Container«, ergänzte ich. »Sie werden inzwischen wissen, dass er hier an Land gesetzt wurde, und schon bald in Dubrovnik auftauchen.«
»Davor habe ich keine Angst«, sagte Marković. »Es würde meine Geschäftstätigkeit lediglich etwas verkomplizieren.« Er studierte einen Moment seine Fingernägel. »Also gut, abgemacht. Ich sorge dafür, dass euer Freund den Container zurückbekommt.«
» Hvala «, bedankte ich mich. » Puno hvala .« Larissa ging mit dem Gorilla zurück ins Rechenzentrum, um Branko die Funktionsweise ihrer Programme zu erklären. Ich stand ebenfalls auf und schlenderte an den Bücherschränken entlang. Es waren die üblichen Lederfolianten mit lateinischen, italienischen oder französischen Titeln. Hier und da verstand ich ein Wort, aber nie genug, um den kompletten Titel eines Buches zu entziffern.
»Es sind über zwanzigtausend Bücher«, rief mir Marković stolz zu, der am Tisch sitzen geblieben war.
Ich nickte beeindruckt. »Darf ich?«, fragte ich und deutete auf die Leiter.
»Gerne.« Er genoss es sichtlich, dass jemand seine Sammlung zu schätzen wusste. Von seinen Mitarbeitern konnte er das sicher nicht erwarten.
Ich schob die Leiter ein wenig zur Seite und kletterte bis zum obersten Regal. Was genau ich hier wollte, war mir selbst nicht klar. Hier oben standen offenbar die ältesten Bücher der Sammlung, denn ihre Einbände wiesen deutliche Spuren von Verfall auf. Sie hatten Wasserflecken auf dem Rücken und das Leder war stellenweise abgeschabt. Direkt vor mir war ein besonders schäbiges Exemplar zwischen zwei Folianten eingezwängt. Das dünne Bändchen trug nicht einmal einen Titel auf dem Buchrücken.
»Ich würde eines der Bücher gerne mal ansehen«, rief ich Marković zu. »Geht das?«
»Warum nicht?«, sagte er. Er stand auf und reichte mir einen kleinen Schlüssel. Ich öffnete die Schranktür und zog den schmalen Band vorsichtig heraus. Dann drehte ich ihn zu mir und warf einen Blick auf den Buchtitel.
Er lautete Liber Itinerum – das Buch der Wege.
»Wie hast du ihn dazu gebracht, dir das Buch zu geben?«, fragte Larissa.
Wir saßen auf der Stadtmauer, schlürften frisch gepressten Orangensaft und genossen die herrliche Aussicht auf das Meer.
»Ich habe ihn an die Tradition von Ragusa erinnert«, erwiderte ich. »Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Republik gegenüber Verfolgten waren sprichwörtlich. Dem konnte er sich nicht verschließen.«
Das klang zwar so leicht. In Wirklichkeit war es eine ziemlich haarige Situation gewesen. Mir war klar, dass ich das Buch haben musste, sobald ich den Titel gelesen hatte. Aber als ich Marković vorsichtig darum bat, war er regelrecht wütend geworden.
»Ihr habt meine Tochter gerettet, das stimmt«, grollte er. »Dafür habe ich euch die Freiheit geschenkt, ihr habt den Container wieder und das Buch von Pluribus. Findest du nicht, das ist genug an Dankeschön?«
»Dieses Buch ist das, weshalb wir unsere Reise überhaupt erst angetreten haben«, erwiderte ich. Dabei hütete ich mich natürlich, ihm irgendetwas über die Macht der Vergessenen Bücher zu erzählen. Ich war sicher, dann würde er es mir gewiss nicht aushändigen. Aber so leicht ließ er sich nicht täuschen.
»Was bedeutet dieses kleine Bändchen schon für Sie?«, fuhr ich fort. »Wahrscheinlich besitzt es nicht mal einen Sammlerwert.«
»Und was
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