02 Arthur und der Botschafter der Schatten
zurückzukehren, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Und egal, was ich dachte: Entscheidend war, was sie wollte. Weil es um ihre Eltern ging, war ihr Urteilsvermögen nicht so klar wie sonst. Und wenn ich nicht auf sie achtgab, würde sie sich vielleicht in Situationen begeben, aus denen sie nicht wieder herauskam.
Ich begriff in diesem Moment einen weiteren Aspekt dessen, was es bedeutet, ein Bewahrer zu sein. Es ging nicht nur um Bücher, nein, es ging mindestens ebenso sehr um Menschen. Als Bewahrer hatte ich die Pflicht, denjenigen, die mir nahestanden, zu helfen, ungeachtet meiner eigenen Sicherheit. Das war mir mit einem Mal völlig klar. Besser fühlte ich mich durch diese Erkenntnis allerdings nicht.
»Arthur?«, klang die Stimme des Bücherwurms am anderen Ende der Leitung. »Bist du noch dran?«
»Ich meine ebenfalls, dass wir weitermachen sollten«, sagte ich.
»Dann solltet ihr ab jetzt besonders vorsichtig sein«, ermahnte mich der Alte.
»Das werden wir«, beruhigte ich ihn, obwohl ich mir nicht sicher war, dieses Versprechen auch halten zu können.
Wir verabschiedeten uns und ich reichte das Telefon an Larissa weiter. Während sie noch mit ihrem Großvater sprach, bog ein kleines, verbeultes Auto um die Ecke und hielt mit quietschenden Reifen direkt vor uns im Halteverbot. Die Fahrertür wurde aufgestoßen und ein schlanker, junger Mann mit einem langen Pferdeschwanz kletterte hinaus. Er kam ohne Zögern auf uns zu.
»Larissa? Arthur?«, fragte er. Die Antwort wartete er gar nicht erst ab. Er ergriff meine Hand und schüttelte sie mehrfach. Dann umarmte er Larissa und gab ihr die in Spanien obligatorischen zwei Luftküsse rechts und links auf die Wangen.
» ¡Hola! Ich bin Mario«, stellte er sich vor. »Wir waren schon in großer Sorge um euch.«
»Hat uns mein Opa gerade erzählt«, erwiderte Larissa und deutete auf das Telefon in ihrer Hand. Sie verabschiedete sich vom Bücherwurm. Der winzige Kofferraum von Montalbas Auto war bereits mit allem möglichen Kram vollgestopft und es passte nur einer unserer Koffer hinein. Den anderen wuchtete er kurzerhand auf den Beifahrersitz.
Bevor ich hinter Larissa auf den Rücksitz kletterte, warf ich noch einen Blick zu der Gestalt auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinüber. Sie hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Ich stieg ein und Mario zog die Tür zu und steuerte den Wagen zurück auf die Straße. Ich fragte mich, ob er wusste, warum wir in Córdoba waren.
»Ich habe mit dem ganzen Bücherkram nicht viel zu tun«, erklärte Montalba, als habe er meine Gedanken gelesen. »Meine Eltern sind von Büchern besessen. Ihr habt sie ja kennengelernt, wie ich gehört habe. Vielleicht habe ich deshalb einen ganz anderen Weg gewählt.«
»Sie sind Schauspieler, nicht wahr?«, fragte ich.
»Ihr könnt ruhig Du zu mir sagen«, lachte Montalba. »Ja, die Bühne war mir immer näher als das Buch. Auch wenn es natürlich beim Schauspiel nicht ganz ohne Bücher geht.«
»Hat dir mein Opa gesagt, warum wir hier sind?«, wollte Larissa wissen.
»Nur so ungefähr. Es geht um irgendein altes Buch, das ihr sucht, stimmt’s?«
»So kann man es auch sagen«, kommentierte ich.
»Eine große Hilfe werde ich euch dabei nicht sein«, entschuldigte sich Mario. »Buchfreaks zählen leider nicht zu meinem Freundeskreis. Aber jetzt erzählt erst mal, was euch so lange aufgehalten hat.«
Wir lieferten ihm eine Kurzfassung unserer Entführung. »Was für ein Abenteuer!«, rief er aus. »Da seid ihr gerade mal ein paar Minuten in Spanien und erlebt schon mehr als ich in fünf Jahren!«
Er sah im Rückspiegel unsere Gesichter. »Entschuldigung«, lachte er. »Da ist die Leidenschaft mit mir durchgegangen, die immer nach neuen Reizen sucht. Deshalb bin ich wohl auch Schauspieler geworden. Da muss ich nicht stets dieselbe Rolle spielen.«
»Arbeitest du hier am Theater?«, fragte Larissa.
Er lachte erneut. »Nein, nein, so weit bin ich noch nicht. Ich studiere an der Schauspielschule und habe mit ein paar anderen Studenten eine kleine Truppe gegründet.« Er drehte sich zu uns um. Das veranlasste mich, umso intensiver die Straße vor uns zu beobachten. Mario hingegen schien das Blindfahren überhaupt nichts auszumachen. »Ihr werdet sie gleich kennenlernen«, fuhr er fort. »Ihr wollt sicher erst mal etwas essen und trinken. Anschließend bringe ich euch dann zu einem Freund von mir, der ein kleines Hotel direkt an der Mezquita besitzt. Meine Wohnung
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