02 Arthur und der Botschafter der Schatten
uns vor? Seine plötzliche Freundlichkeit verstärkte mein Misstrauen nur noch. Ich setzte mich auf das Kissen neben Larissa. Der Gnom hob seine Tasse mit beiden Händen an. »Lasst uns einen Begrüßungstrunk nehmen, meine Lieben«, sagte er.
Ich nahm das Gefäß vor mir auf und roch daran. Ein aromatischer Duft nach orientalischen Gewürzen stieg mir in die Nase. Der Mann trank seine Tasse in einem Zug aus und sah uns auffordernd an. Ich nippte an dem Getränk, das überraschend gut schmeckte, und leerte meine Tasse ebenfalls. Larissa folgte meinem Beispiel.
Wir blickten unseren Gastgeber fragend an. Mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm nicht zugetraut hatte, erhob er sich von seinem Kissen. »Esteban holt jetzt das, was eure Fragen beantworten wird«, erklärte er und verschwand durch eine weitere Tür auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Raum.
Ich stand ebenfalls auf und ging zu dem kleinen Fenster, das den Blick in einen kahlen Innenhof eher verwehrte als freigab. »Glaubst du wirklich, dass wir von ihm etwas erfahren, das uns weiterhilft?«, fragte ich.
Larissa antwortete nicht. Ich drehte mich um – und wäre beinahe hinterrücks durchs Fenster gestürzt.
Larissas Gesichtshaut hatte eine aschfahle Tönung angenommen, und ihre Augen waren blutrot und aus den Höhlen hervorgetreten. Speichel lief ihr aus dem geöffneten Mund. Ihre Finger sahen mit einem Mal lang und dünn aus und endeten in scharfen Krallen, die sie jetzt klackend aneinanderschlug, während sie langsam auf mich zukam.
Das Zimmer schien sich zu drehen und ich drückte mich an der Wand entlang von ihr weg. Das konnte nicht wahr sein! Irgendetwas musste in dem Getränk gewesen sein, das uns der Gnom vorgesetzt hatte! Ich zwinkerte mit den Augen, doch das furchterregende Bild blieb. Larissa näherte sich mir langsam mit einem hungrigen Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verhieß.
»Larissa!«, rief ich.
Sie gab durch keine Regung zu erkennen, dass sie sich angesprochen fühlte. Ich erkannte zwei Reihen spitzer Zähne in ihrem Mund und wich weiter zurück. Sie stieß einen gurgelnden Laut aus. Der Boden unter meinen Füßen schien zu schwanken.
»Larissa!«, rief ich erneut. »Ich bin’s, Arthur! Das ist alles nur eine Halluzination!«
Aber sie reagierte nicht. Ich drückte mich von der Wand ab, machte einen großen Satz über eine der Kissenreihen und rannte auf die Tür zu, durch die wir gekommen waren. Larissa drehte sich langsam um und folgte mir. Sie bewegte sich wie in Zeitlupe.
Ich überlegte, was ich tun sollte. Natürlich konnte ich zurück in den Laden laufen – aber was dann? Wie kam ich nach draußen, falls der Gnom den Schlüssel eingesteckt hatte? Gut, ich konnte immer noch das Schaufenster einschlagen und rausklettern. Aber das würde bedeuten, dass ich Larissa hier zurücklassen müsste. Und das wollte ich auf keinen Fall.
Während ich noch die verschiedenen Möglichkeiten, die sich mir boten, gegeneinander abwog, hatte Larissa sich mir bereits bis auf wenige Schritte genähert.
Ich wollte gerade in den Flur stürzen, um etwas Zeit zu gewinnen, als der Gnom plötzlich wieder im Raum stand. Unter dem Arm trug er ein dickes, ledergebundenes Buch, das sichtlich älter war als alles, was sich vorne in seinem Laden befand. Seine feuchten Lippen waren zu einem hasserfüllten Grinsen verzerrt.
»Nun, meine Lieben, gefällt euch das Spiel?«
Larissa hielt inne, als sie seine Stimme vernahm. Auch ich wartete ab, was jetzt kommen würde.
Der Gnom streckte uns das Buch entgegen. »Ihr seid Bewahrer, das hat Esteban sofort gemerkt. Ihr wollt Esteban das Buch wegnehmen. Aber da habt ihr euch getäuscht! Niemand bekommt das Buch!«
Ich starrte auf den Wälzer. Konnte das das Buch der Wege sein? Hatten wir das Ziel unserer Suche bereits erreicht? Doch dann erkannte ich, dass der Titel in spanischer Sprache und nicht in Latein verfasst war.
»Was ist das für ein Buch?«, fragte ich Esteban. »Soll das eines der Vergessenen Bücher sein?«
»Er fragt, ob es eines der Vergessenen Bücher ist!«, schrie der Gnom. »Er tut so, als wüsste er nicht, was Esteban bewacht! Er will Esteban hereinlegen!«
Er fuchtelte mit dem Buch in der Luft herum und sprang von einem Bein aufs andere. Ich musste versuchen, ihn zu beruhigen, wenn wir hier mit heiler Haut herauskommen wollten.
»Niemand will Ihnen etwas wegnehmen!«, schrie ich zurück. »Behalten Sie Ihr Buch und lassen Sie uns einfach gehen!«
Larissa verharrte immer noch in
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