02 Arthur und der Botschafter der Schatten
Zeit ohne große Regung im Eingang der Synagoge gestanden. Ich ging zu ihm und zeigte ihm die Nachricht. »Können Sie damit etwas anfangen?«
Er betrachtete die Zeichen und zuckte dann mit den Schultern. »Das sagt mir leider gar nichts.«
Larissa hatte das Handy hervorgeholt und bat mich, ihr die Zahlen und Buchstaben zu diktieren. Sie tippte sie ein und wartete.
»Was machst du da?«, wollte ich wissen.
»Ich habe den Text bei einer Kryptografie-Website eingegeben. Da werden sie sofort daraufhin überprüft, ob sie einen Code darstellen. Leider ist das Resultat negativ.«
»Krypto-was?«, fragte ich.
»Die Wissenschaft der Verschlüsselung«, klärte Larissa mich auf. »Das ist eine Wortbildung aus den altgriechischen Begriffen kryptos , das heißt verborgen, und graphein , das heißt schreiben. Es geht also um das Schreiben von geheimen Botschaften.«
»Aha«, sagte ich. »Und wenn es kein Code ist, was ist es dann?«
»Es kann durchaus eine verschlüsselte Botschaft sein«, erwiderte Larissa. »Der Check, den ich durchgeführt habe, überprüft nur das Vorhandensein der relativ einfachen und bekannten Verschlüsselungssysteme. Der Code könnte also lediglich etwas komplizierter sein.«
»Und damit schwieriger zu knacken.«
»Da hast du recht.« Sie steckte das Handy wieder ein.
Frustriert ließ ich den Zettel sinken. »Und was machen wir jetzt?«
»Ich schlage vor, wir setzen unseren kleinen Rundgang fort«, sagte der Maure. »Vielleicht fällt uns ja unterwegs noch etwas ein.«
Da wir auch keine bessere Idee hatten, stimmten wir seinem Vorschlag zu. Fast eine Stunde lang führte er uns durch die anderen Viertel der maurischen Altstadt, bis wir uns schließlich vor einer Bar am Ufer des Guadalquivir niederließen. Der breite Fluss wand sich träge um eine Landspitze herum, auf der man einen gedrungenen Turm erkennen konnte.
»Das ist der Torre de la Calahorra «, erklärte der Maure. »Dort hinter der Römischen Brücke befinden sich auch die Mühlen. Der Guadalquivir war eine der Lebensadern des maurischen Córdoba. Mit einem System von Wasserrädern wurden nicht nur die Gärten des Palastes bewässert, sondern auch Korn gemahlen.«
Wenig später standen wir vor dem großen Schöpfrad, das gerade restauriert wurde. Von dort waren es nur wenige Meter zurück zur Mezquita. Unser Führer deutete auf ein hohes Gebäude gegenüber den Mauern der Moschee. »Bis hierhin reichte früher der Alcázar , der Palast der Emire und Kalifen«, sagte er. »Er erstreckte sich bis dorthin, wo heute noch der Alcázar der Christlichen Könige steht.«
Der heutige Alcázar lag etwa hundert Meter entfernt. Er war eine Festung mit dicken Mauern und vier Türmen. Dahinter verbarg sich ein wunderschöner arabisch-andalusischer Garten, wie ich in meinem Reiseführer gelesen hatte. Leider konnten wir ihn nicht besichtigen, denn der Palast war für heute bereits geschlossen. Wir ließen uns auf dem Vorplatz auf einer Bank im Schatten zweier mächtiger Palmen nieder. Vom Fluss her wehte ein leichter Wind, der angenehme Kühlung brachte. Jetzt, um die Mittagsstunde, musste das Thermometer über vierzig Grad zeigen.
Ich nahm einen tiefen Zug aus meiner Wasserflasche und wischte mir den Schweiß vom Gesicht. Der Maure machte eine ausholende Handbewegung.
»Hier, wo wir jetzt sitzen, befand sich früher ein Teil der Großen Bibliothek von Córdoba«, sagte er. »Sie wurde gegründet von Abd ar-Rahman dem Ersten, einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Seine Geschichte ist eng mit derjenigen der Vergessenen Bücher verwoben.«
Er machte eine kleine Pause. »Jetzt ist es Mittag. Die Menschen ziehen sich in ihre Häuser zurück und suchen den Schatten und die Ruhe. Das ist die richtige Zeit für eine Geschichte.«
»Ich würde lieber versuchen, den Code zu entschlüsseln«, murrte Larissa.
»Interessiert es dich denn nicht, warum du diesen Zettel überhaupt hast finden können?«, fragte der Maure.
Larissa zuckte mit den Schultern. »So ähnlich wahrscheinlich wie Arthur seine Bücher, vermute ich. Na und?«
»Auch das sind Talente, die tief in der Geschichte dieser Stadt verborgen sind. Und je mehr ihr darüber wisst, desto besser seid ihr auf die Aufgaben vorbereitet, die noch vor euch liegen.«
»Na gut«, seufzte sie. »Zum Denken ist es jetzt sowieso zu heiß. Dann können wir uns ebenso gut eine Geschichte anhören.«
»Ganz meinerseits«, pflichtete ich ihr bei und ging in eine etwas bequemere Sitzposition. Wir
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