02 Arthur und der Botschafter der Schatten
ich.
»Und was macht ihr?«, echote Torres.
»Das wollen Sie nicht wirklich wissen«, sagte ich. »Aber warum sind Sie hier?«
»Deshalb.« Er deutete auf den Lieferwagen. »Endlich kann ich meine D-diebe auf frischer Tat ertappen.«
Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als sich die Eingangstür des Viana-Palasts öffnete. Zunächst kam eine Gestalt heraus und blickte sich um. Die Figur war unverkennbar: Dick, mit abstehenden Haarbüscheln – das war der Wachmann, der sich bei unserem Besuch geweigert hatte, uns einen Blick in das Buch werfen zu lassen. Jetzt trug er allerdings keine Uniform. Er winkte jemandem zu, der sich noch im Gebäude befand.
Eine Sekunde später schwebten vier große Kartons durch die Tür. Zumindest sah es so aus; beim näheren Hinsehen erkannte ich, dass sie auf einem Rollbrett aufgestapelt waren, das von einem Komplizen durch den Ausgang geschoben wurde. Der Mann im Auto sprang heraus und riss die Türen zum Laderaum des Lieferwagens auf. Die anderen beiden schoben das Rollbrett in seine Richtung.
Kurz bevor sie den Wagen erreicht hatten, verfing sich eines der Rollbretträder in einer Rille des unebenen Pflasters. Die Kartons gerieten ins Rutschen. Einer der Einbrecher bekam den obersten Karton zwar noch zu fassen, doch er war zu schwer und rutschte ihm durch die Finger. Die Kiste prallte auf den Boden, sprang auf, und ein gutes Dutzend Bücher purzelten auf die Steine.
Wir hörten ein unterdrücktes Fluchen. Der Wachmann zog etwas aus der Tasche. Eine Sekunde später erfasste der Lichtstrahl einer kleinen Taschenlampe die herausgefallenen Bücher. Sein Kompagnon zischte ihn in scharfem Ton an und der Dicke knipste die Lampe wieder aus. Der kurze Moment hatte uns aber ausgereicht, um zu erkennen, dass eines der Bücher in rotes Leder eingebunden war.
Larissa stieß mich an. Ich nickte. »Das ist unser Buch.«
Die Männer stopften die Bücher zurück in den Karton und hievten die Kisten in den Laderaum des Lieferwagens. Einer von ihnen drehte sich in unsere Richtung und ich zog mich schnell tiefer in den Schatten zurück. Für eine Sekunde erreichte der trübe Strahl einer Straßenlaterne sein Gesicht: Es war Zafón.
Er war uns also wieder zuvorgekommen! Der Wachmann hatte sich offenbar bestechen lassen und ihm nicht nur berichtet, an welchen Büchern wir Interesse gezeigt hatten, sondern auch bei deren Diebstahl geholfen.
Sobald der letzte Karton eingeladen war, schlug der Fahrer die Türen zu und lief zur Kabine. Zafón drückte dem Wachmann etwas in die Hand, wahrscheinlich den Lohn für seine Hilfe. Dann verschwand der Dicke im Dunkel der Nacht. Die anderen beiden Männer kletterten ebenfalls in die Fahrerkabine.
»Schnell!«, drängte Torres uns. Er riss die Tür eines kleinen Kombis auf, der direkt hinter uns geparkt war. Wir hechteten auf die Rückbank. Der Lieferwagen vor uns hatte die Scheinwerfer eingeschaltet und fuhr genau in unsere Richtung.
»Ducken!«, rief Larissa. Wir tauchten ab, so tief wir konnten. Torres, dessen Bewegungsspielraum durch seine Leibesfülle und das Lenkrad eingeengt war, warf sich einfach längs über den Beifahrersitz.
Zafón und seine Kumpane brausten vorbei, ohne uns zu bemerken. Kaum hatten sie uns passiert, da saß Torres auch bereits wieder hinter dem Steuer und ließ den Motor an. Er wendete und folgte dem Lieferwagen, ohne die Scheinwerfer einzuschalten.
Die Einbrecher schienen zunächst nur ziellos durch die engen Straßen rund um den Palast zu kreuzen, bevor sie in eine Hauptverkehrsstraße einbogen. Ich atmete erleichtert auf. Torres schien mir nicht der sicherste Fahrer zu sein. In den Seitenstraßen hätte er beinahe mehrmals eines der dort parkenden Fahrzeuge gerammt, weil er es ohne Licht nicht rechtzeitig gesehen hatte. Jetzt betätigte er endlich den Hebel für die Scheinwerfer. »In den k-kleinen Gassen hätten sie sofort b-bemerkt, dass ihnen jemand f-folgt«, erklärte er.
Hier, auf der mehrspurigen Hauptstraße, hatten wir eher das Problem, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Auch mit Licht fuhr Torres nicht viel besser. Er wechselte die Spuren so unverhofft, dass ich uns ein paarmal mit anderen Fahrzeugen zusammenstoßen sah, bremste mitten in der Spur und gab dann plötzlich wieder Gas. Seltsamerweise ereignete sich kein Unfall; lediglich ein paar Huper begleiteten uns auf dem Weg.
Zumindest gelang es dem Detektiv, an Zafón und Co. dranzubleiben. Schließlich verließen sie die Hauptstraße und bogen in eine
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