02 Arthur und der Botschafter der Schatten
maulte sie. »Viel länger hätte ich mit meinem Werkzeug auch nicht gebraucht.«
»Das ist nur für Leute, die nicht besonders fingerfertig sind«, sagte der Detektiv, als ob er sich dafür entschuldigen wollte.
Die Zwillinge waren wirklich nicht da, denn sonst hätten sie sich längst bemerkbar gemacht. Auf der Werkbank fanden wir unsere Taschen und Hosentascheninhalte. Wir sammelten schnell alles auf. Vor uns lagen die vier Kartons, die wir Zafón eins und seine Helfer aus dem Viana-Palast hatten schleppen sehen. Sie waren leer, das Diebesgut war wahrscheinlich umgeladen in Metallkisten und im Lieferwagen verstaut.
Torres öffnete die Tür neben unserem Gefängnis. Sie führte in einen dunklen Flur, aus dem uns ein muffiger Geruch entgegenschlug. Larissa inspizierte inzwischen das Schloss des Rolltors. Diesmal wollte sie sich von Torres nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Sie griff gerade nach ihrem Set, als wir draußen ein Geräusch hörten. Die Zafóns kamen zurück!
Ich sah mich verzweifelt nach einem Versteck um, während Larissa zu uns zurücklief. Schon glitt außen der Schlüssel ins Schloss. Larissa und ich standen da wie die Kaninchen im Scheinwerferlicht. Lediglich Torres reagierte geistesgegenwärtig. Er riss eine der Hecktüren des Lieferwagens auf, stieß uns hinein und hievte sich ebenfalls keuchend hinauf. Im selben Augenblick, als das Rolltor in die Höhe ging, zog er die Tür hinter uns zu.
Wir tasteten uns in der Dunkelheit voran, bemüht, keinen Lärm zu machen. Hinter einem Stapel Metallkisten quetschten wir uns zusammen. So konnten wir wenigstens nicht sofort entdeckt werden, sollte jemand die Tür öffnen.
»Warum sind wir nicht durch den Flur abgehauen?«, flüsterte ich.
»Weil wir nicht w-wissen, wohin er führt, und sie g-genau das annehmen werden«, erwiderte Torres.
Draußen hörten wir lautes Rufen und Fluchen auf Russisch. Die Zafóns hatten herausgefunden, dass wir uns nicht mehr in unserem Gefängnis befanden. Wenn sie logisch dachten, mussten sie schnell draufkommen, dass es nur zwei Fluchtwege für uns geben konnte: den Flur und den Lieferwagen. Und tatsächlich: Kaum hatte ich den Gedanken gedacht, wurde auch schon eine der Hecktüren geöffnet und Licht fiel ins Wageninnere.
Ich hielt den Atem an. Waren wir gut genug versteckt, vor allem Torres? Oder ragte ein Fuß oder eine Schulter von ihm hervor? Wenn die Zafóns den Laderaum bestiegen, dann würden sie uns mit Sicherheit entdecken.
Sein Zwillingsbruder rief etwas und die Tür wurde wieder zugeschlagen. Gleich darauf hörten wir die Fahrer- und Beifahrertür ins Schloss fallen. Jemand ließ den Motor an und der Wagen setzte sich rückwärts in Bewegung. Offenbar hatten sie es eilig und keine Zeit, weiter nach uns zu suchen. Ob das ein Glück für uns war, musste sich erst noch herausstellen.
Wer je ohne Halt in einem dunklen Lieferwagen gesessen hat, der weiß, welche Kräfte bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten auf einen einwirken. Schneller als zehn Kilometer fuhr das Auto beim Zurücksetzen auf die Straße sicher nicht, und doch wurden wir beim Bremsen ordentlich gegen die Kisten geschleudert. Wir hielten noch einmal kurz, wahrscheinlich, weil einer der beiden Zwillinge das Rolltor wieder herunterließ. Diese Zeit nutzten wir, um uns einen einigermaßen festen Halt an und zwischen den Kisten zu verschaffen. Dann gab der Fahrer Gas.
In den nächsten zehn Minuten wurde ich so durchgeschüttelt wie in meinem ganzen Leben nicht. Der Fahrer nahm die Kurven, von denen es einige gab, ohne groß abzubremsen, und wir fielen mehrfach übereinander, bis wir uns einigermaßen arrangiert hatten. Dabei mussten wir zudem noch aufpassen, nicht allzu viel Lärm zu machen. Der Motor übertönte zwar die meisten Geräusche, aber die Zafóns brauchten nur den kleinsten Verdacht zu schöpfen, und es wäre um uns geschehen.
Die Zeit, bis wir endlich die Autobahn erreichten, kam mir endlos vor. Doch irgendwann fuhren wir auf gerader Strecke und das Hin- und Herschleudern hörte auf. Nun hatten wir zum ersten Mal seit der Abfahrt die Gelegenheit, uns zu unterhalten.
Larissa zog das Handy heraus und ließ sich unsere Position über GPS auf Google Maps anzeigen. Wir bewegten uns in der Tat in Richtung Sevilla. Dort ging es dann wahrscheinlich auf die Autobahn nach Cádiz. Das hoffte ich zumindest, denn ich verspürte keinerlei Lust, die Fabrikhalle wiederzusehen, in die uns Zafón eins nach unserer Ankunft entführt
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