02 Arthur und der Botschafter der Schatten
fünf bis sechs Meter hohes, kreisförmiges Bauwerk, über dem eine Kuppel aus Ziegelsteinen aufragte. Rundherum war eine kleine Mauer gezogen. Beim näheren Hinsehen erkannte ich, dass es sich bei den in die Wand des Gebildes eingelassenen Skulpturen um Wasserspeier handelte. Es schien ein alter Brunnen zu sein.
Hinter dem Brunnen erstreckte sich eine schnurgerade Promenade, deren Steine glitzerten wie fließendes Wasser und die auf beiden Seiten von zweistöckigen Häusern aus demselben hellen Stein flankiert wurde wie die Bauwerke rund um den Platz.
Gleich rechts von mir hing über einem Gebäude das Schild Tourist Information . Genau das, was ich brauchte. Drinnen sah es zwar eher wie in einem Andenkenladen aus, aber man konnte mit Euro bezahlen, und ich kaufte einen Stadtplan und einen kleinen Reiseführer über Dubrovnik in deutscher Sprache.
Vor der Tür studierte ich den Plan. Auf den ersten Blick sah alles recht überschaubar aus. Die Altstadt, die komplett von hohen Mauern umgeben war, maß in beiden Richtungen im Durchmesser kaum mehr als dreihundert bis vierhundert Meter. Zum Glück hatte ich mir die Adresse der Antiquarin, die der Bücherwurm kannte, notiert. Es konnten nur ein paar Minuten bis zu ihrem Haus sein.
Ich prägte mir die ungefähre Richtung ein und trat auf die Promenade. Nach wenigen Metern stieß ich auf eine Wechselstube, in der ich fünfzig Euro in die kroatische Landeswährung Kuna eintauschte. Für einen Euro bekam man etwas mehr als sieben Kuna, das machte das Umrechnen leicht.
Mit einem dünnen Bündel Kuna-Scheinen in der Tasche setzte ich meinen Weg fort. Die Promenade, die den Namen Placa trug, aber von allen nur Stradun genannt wurde, verdiente laut Stadtplan als einzige die Bezeichnung »Straße«. Der Rest der Stadt bestand aus unzähligen kleinen Gassen. Sie erstreckten sich zu beiden Seiten des Stradun und gingen nach einigen Metern in Treppen über, die irgendwo im Schatten der dicht gedrängten Häuser verschwanden. Alle waren durch ein Geflecht von Quergassen miteinander verbunden, und ich merkte schnell, dass das, was auf dem Stadtplan so übersichtlich aussah, in der Realität etwas komplizierter war. Kleine Torbögen, winzige Plätze und Nebengänge, die im Plan nur schlecht zu erkennen waren, erschwerten mir die Orientierung, und so benötigte ich eine geschlagene Viertelstunde, bis ich vor dem Geschäft stand, das ich suchte.
Es befand sich abseits der Touristengeschäfte rund um den Stradun, kurz vor den ersten Stufen auf der Seeseite der Stadt. Hinter einer winzigen Fensterscheibe waren ein Dutzend Bücher ausgestellt, die alle schon bessere Zeiten gesehen hatten.
Ich hatte Glück. Der Laden war bereits geöffnet. Er war nicht mehr als ein schmaler, länglicher Raum mit einem hohen Bücherregal an der einen und einem alten Schreibtisch an der anderen Seite. Dahinter saß eine gut aussehende Frau von etwa fünfzig Jahren. Sie trug ein schwarz-weiß gemustertes Kleid und ihre schwarzen Haare waren im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden.
Als sie mich eintreten hörte, blickte sie von dem Buch auf, in das sie vertieft war, und nickte mir freundlich zu. » Dobar dan! «, sagte sie.
»Hallo«, erwiderte ich. »Sprechen Sie Deutsch?«
»Ein wenig.«
»Sind Sie Lidija Pjorotić?«, fragte ich.
Sie musterte mich genauer. »Bist du der Junge, von dem Johann gesprochen hat?«
Johann war der Vorname des Bücherwurms. Ich nickte und trat näher heran. Sie deutete auf einen Stuhl, der hinter dem Schreibtisch verborgen war. »Setz dich. Und wo ist deine Begleiterin?«
»Auf dem Weg nach Rijeka.« Sie sah mich fragend an. Doch bevor ich berichten konnte, was passiert war, fuhr sie fort: »Möchtest du etwas trinken? Einen Kaffee? Ein Wasser?«
»Ein Wasser wäre nicht schlecht.« Erst jetzt merkte ich, wie durstig ich war. Seit gestern Abend in der Bar der Ann Catherine hatte ich nichts mehr getrunken.
Sie verschwand durch eine Tür am Ende des Raums und kehrte kurz darauf mit einem Glas und einer Wasserflasche zurück, die sie vor mir abstellte.
Ich schüttete mir das Glas voll und leerte es fast vollständig in einem Zug.
»Haben Sie ein Handy, das ich mal kurz benutzen kann?«, fragte ich.
Sie zog ein bereits etwas älteres Modell aus einer Schublade ihres Schreibtisches hervor und hielt es mir hin. Mir geht’s gut. Bin in Dubrovnik bei Lidija. Bücher aus Cordoba auch hier. Sei vorsichtig. Bis morgen, Arthur tippte ich ein und schickte die SMS an Larissa
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