02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
nicht dabeisein sollte und daß er sich ungeheuer angestrengt hatte, es zu schaffen. Ich war stolz auf ihn. Das Schicksal hatte ihm einen harten Schlag versetzt, aber er war nicht zu Boden gegangen.
Als Mahtab und ich in die Vereinigten Staaten zurückkehrten, ahnte ich nicht, daß es außer mir noch andere gab, die Angst hatten, ihre Kinder an den Ehepartner im Ausland zu verlieren. Nach der Veröffentlichung meines Buches erfuhr ich jedoch, daß internationale Entführungsfälle weitaus häufiger sind, als man vermuten würde.
Auf meiner Vortragsreise fand ich besonderen Gefallen an Sendungen, in denen Zuschauer anrufen konnten. Ich erinnere mich vor allem an ein regionales Fernsehprogramm eines Morgens in Cleveland. Eine Frau rief an und sagte: »Sie haben mir das Leben gerettet! Mein Mann wollte nach Jordanien. Nachdem ich Sie in 20/20 gesehen hatte, rief ich im Außenministerium an und beschloß dann, nicht mitzureisen. Mein Mann kam nie zurück. Hätte ich ihn begleitet, wäre ich in dieselbe Situation geraten wie Sie.«
Nach diesem Muster verliefen viele Gespräche überall im Fernsehen. Jemand rief an und sagte: »Meine Kinder wurden vor drei Jahren nach Saudi-Arabien entführt.« Dann meldete sich jemand anderes: »Meine Kinder wurden vor fünf Jah-ren nach Spanien entführt.« Ich blieb mit diesen Leuten und 59
mit vielen anderen, die mir über meinen Verleger Briefe schickten, in Kontakt. Meine Post wurde immer schwerer, und in einigen Briefen bat man mich um Hilfe.
Viele der verlassenen Eltern waren von der amerikanischen Regierung vertröstet worden: »Verhalten Sie sich ruhig, vielleicht können wir etwas für Sie tun.« Oft hatten sie das Gefühl, so etwas sei nur ihnen passiert, sie würden deshalb die alleinige Schuld an allem tragen und hätten sowieso alles besser wissen müssen. Ich erzählte diesen Menschen voneinander, und bald entstand ein kleines Netz von Verbindungen. Meine Brieffreunde fühlten sich nicht mehr so isoliert wie zuvor. Jetzt hatten sie einander, und sie wagten sogar zu hoffen, daß sie eines Tages auch ihre Kinder wieder haben würden.
Wir saßen friedlich in einem ruhigen Cafe in Alexandria in Virginia, aber ich hatte das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Neugierig sah ich Teresa Hobgood von der Abteilung für Auswärtige Konsularische Fragen des US-Außenministeri-ums an, die mir zum Abendessen Gesellschaft leistete und an diesem Tag mit so ungewöhnlich sanfter Stimme sprach. Normalerweise war Teresa heiter und entspannt, aber heute wirkte sie schon den ganzen Nachmittag über sehr nervös.
Es war der 1. Februar 1988, fünf Monate nachdem Nicht ohne meine Tochter von St. Martin's Press in den Vereinigten Staaten veröffentlicht worden war. Seither war mein Leben bestimmt von Vortragsreisen und Autorenlesungen wie jener, die ich an diesem Morgen vor einer jüdischen Gemeinde in Washington gehalten hatte. Danach hatte ich das Außenministerium aufgesucht, um das Thema der internationalen, von einem Elternteil vorgenommenen Kindesentführung zu erörtern.
Teresa hatte unseren Fall bearbeitet, als Mahtab und ich faktisch Geiseln im Ausland waren. Über meine Kontakte
an der Schweizer Botschaft in Teheran hatte sie meine Familie auf dem laufenden gehalten und sich das Vertrauen meiner Mutter erworben. Ohne sie, so meine Mutter, wäre die Familie hilflos der Ungewißheit ausgesetzt gewesen. Teresa hatte mir seit unserer Rückkehr bei Nachforschungen nach den Aufenthaltsorten Moodys geholfen. Mit der Zeit entwickelte sich eine herzliche Freundschaft zwischen uns. Ich erfuhr, daß Teresa der Verzweiflung nahe gewesen war, als man ihr unseren Fall übertrug. Mahtab und ich konnten ihr etwas bieten, das in ihrem Job allzu selten war: ein Happy-End.
Der Nachmittag im Außenministerium war schnell vergangen. Ich übte mein Farsi mit Richard Queen, einem Angestellten der amerikanischen Botschaft, der im Iran als Geisel festgehalten und vor einigen Jahren freigelassen worden war. Außerdem sprach ich mit Fabio Saturni über Statistiken zu Entführungsfällen. Saturni leitete die Abteilung für internationales Sorgerecht, die ein Jahr nach meinem ersten Fernsehauftritt in 20/20
gegründet wurde. Sie war die erste offizielle Reaktion des Außenministeriums auf dieses Problem und bedeutete einen ungeheuren Fortschritt.
Dann hatte ich das Cafe aufgesucht. Teresa schien ungewöhnlich zerstreut, ganz anders als sonst. Während des Abendessens plauderten wir über mein Buch, andere
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