02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Entführungsfälle und Johns Genesung. Spätestens als meine Begleiterin Käsekuchen bestellte, wußte ich, daß etwas anstand. Teresa war schlank und gesundheitsbewußt, ich hatte sie noch nie Nachtisch essen sehen. Offensichtlich schob sie etwas vor sich her.
Teresa streckte die Hand über den Tisch und legte sie auf meine. »Wissen Sie, Betty«, sagte sie, »was immer in Zukunft geschehen mag, wir halten es für richtig, daß Sie Ihre Geschichte anderen Menschen erzählt haben. Wir bekom-men jetzt so viele Anrufe von Leuten, die Fragen haben, weil 61
sie jemanden aus einem anderen Land heiraten oder ins Ausland reisen wollen. Diese Menschen lernen aus Ihrer Erfahrung, daß sie die amerikanische Verfassung nicht in den Koffer packen und mitnehmen können. Es ist wunderbar, wie viele Sie schon davor bewahrt haben, in die gleiche Situation wie Sie und Mahtab zu geraten.«
Teresa machte eine Pause, und ihr Blick hielt mich fest. Er verhieß nichts Gutes. Plötzlich bekam ich Angst.
»Heute hat mich Annette von der amerikanischen Botschaft in Bern angerufen«, fuhr Teresa fort. Sie preßte meine Hand. »Dr. Mahmoody hat den Iran verlassen.«
Mein Herz begann zu rasen. Alles Blut wich mir aus dem Gesicht, und mir wurde schwindelig. Ich glaubte, sie nicht richtig verstanden zu haben. Teresas Stimme drang aus der Ferne zu mir, wie vom anderen Ende eines Tunnels. »Wir wissen nicht, wo er sich aufhält. Wir wissen nur, daß er ausgereist ist.« Diese Nachricht löste die größte Angst in mir aus. Mehr als den Tod fürchtete ich, daß Moody seine Tochter eines Tages aus Rache wieder in den Iran entführen konnte.
»Wann denn?« stotterte ich. »Wie hat man das herausgefunden?« - »Erst heute erhielt Annette mit der Post von der Interessenvertretung der USA an der Schweizer Botschaft in Teheran eine Nachricht«, erklärte Teresa. »Sie besagt, daß er Arbeit und Familie verlassen hat, und man vermutet, daß dies noch nicht lange her ist.« Sie las mir einen Teil des Telegramms vor: »Er ist im Besitz einer Green Card. Es ist nicht auszuschließen, daß er nach Amerika zurückkehrt, um Frau und Tochter zu holen.«
Schwer fuhr Teresa fort: »Man glaubt, daß Ihr Leben und das Ihrer Tochter in Gefahr sind.« Als sie sah, wie verzweifelt ich war, tat sie ihr Bestes, mich zu beruhigen: »Bitte, bitte fühlen Sie sich jetzt nicht schuldig. Es war alles richtig* was Sie getan haben. Wir alle wußten doch, daß dies eines 62
Tages geschehen würde. Wir wußten nur nicht, wann. Es wäre auch geschehen, wenn Sie mit Ihrer Geschichte nicht an die Öffentlichkeit gegangen wären.« Sie wollte versuchen, am folgenden Tag ausführlichere Informationen zu bekommen.
Um mich drehte sich alles. Was sollte ich tun? Ich mußte unbedingt zu Hause anrufen, um zu erfahren, ob Mahtab sicher aus der Schule heimgekommen war. Ich mußte in unserem Haus Sicherheitsvorkehrungen treffen.
Ich mußte sicherstellen, daß keiner meine achtjährige Tochter erreichen konnte.
Die Minuten vergingen, ohne daß wir es bemerkten, und mir blieb kaum noch Zeit für den letzten Flug vom National Airport nach Michigan. Aber ich mußte es schaffen. Ich mußte nach Hause, mußte Mahtab berühren und in den Armen halten.
Man hatte die Passagiere bereits zum letztenmal aufgerufen, als ich zum Ticketschalter kam, und ich hatte keine Zeit zu telefonieren. Das Flugzeug wartete am Flugsteig auf mich. Ich war wie betäubt und nahm nichts um mich herum wahr, nicht einmal, daß wir abgehoben hatten. Immer wieder durchlebte ich die Vergangenheit und sorgte mich um Mahtabs Zukunft. Als wir Dayton in Ohio erreichten, wo ich umsteigen mußte, erfuhr ich, daß der Flug der US-Air wegen typischen Michigan-Wetters eine Stunde Verspätung hatte. Ich nahm mich zusammen und telefonierte mit Mahtab. Es ging ihr gut, sie sah fern und war völlig unbekümmert. Dann sprach ich mit meiner Mutter, die bei uns übernachtete. Ich hätte sie am liebsten gleich gewarnt, wollte mit der schrecklichen Nachricht herausplatzen, aber Mom hatte ein schwaches Herz, und ich durfte sie nicht unnötig erschrecken.
Ich versuchte nachzudenken. Wer konnte uns helfen? Bates, der Polizist, der so hilfsbereit und nett zu 63
Mahtab gewesen war, hatte mir versichert, ich könne ihn jederzeit anrufen, wenn ich seine Hilfe benötigte. Jetzt war die Zeit gekommen. Ich rief ihn zu Hause an und sprudelte das hervor, was ich von Teresa gehört hatte.
Sofort bot er an, die ganze Nacht hindurch unser Haus zu
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