02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
erinnerte sich sogar an das Spielzeug, das sein Vater ihm gegeben hatte, damit er nicht mehr weinte. »Er erzählte mir, ein als Nikolaus verkleideter Mann habe seinem Daddy geholfen, ihn und seine Schwester seiner Mommy zu >stehlen<«, sagte Kristine.
Eine Woche später konnte sie endlich das Gericht dazu bringen, ihren Fall zu verhandeln. Sie war die erste Frau nichtarabischer Herkunft, die vor einem islamischen Scha-ria-Gericht angehört wurde. Am zweiten Tag vor Gericht sagte ihr saudischer Rechtsanwalt: »Scheidungsfälle bringen kein Geld.« Er ließ sie ohne Übersetzer in der Verhandlung sitzen, die ausschließlich auf arabisch geführt wurde. Am dritten Tag wurde der ausschlaggebende Beweis gegen sie vorgelegt: ein Foto, auf dem sie mit ihren Kindern aus einer Kirche trat. Der Richter erklärte, er könne Kristine das Sorgerecht für ihre Kinder nicht zusprechen, weil dies deren »Religiösität beeinflussen würde«. Man verweigerte ihr das Recht, die Kinder regelmäßig zu besuchen. Kristine blieb noch ein Jahr in Saudi-Arabien und arbeitete dort; sie durfte ihre Kinder in dieser Zeit nur fünfmal sehen.
Die Situation war für Kristine unerträglich, und schließlich verließ sie Saudi-Arabien. Seither muß sie ihren ExMann bitten, die Kinder sehen zu dürfen. Im Jahre 1986 erlaubte er ihr, sie zu besuchen, aber nur in Gegenwart seiner neuen Frau. Jeder Kontakt mit den Kindern wurde überwacht. »Ich mußte mit seiner neuen Frau in einem Bett schlafen«, erzählte Kristine. »Meine Kinder stritten sich darum, neben wem sie schlafen durften. Keines wollte neben mir schlafen. Meine Tochter sagte: >Amerika ist schlecht. Amerika hat keine Moscheen. Amerika stellt den Juden Pässe aus.< Mein Sohn sagte: >Meine Augen sind nicht blau, sondern braun. Ich bin Araber.<«
Kristines Mutters letzter Wunsch, ihre Enkelkinder noch
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einmal zu sehen, ging nicht in Erfüllung. Wieder wurde mir bewußt, wieviel Glück Mahtab und ich gehabt hatten. Wir waren rechtzeitig aus dem Iran zurückgekehrt, um meinen Vater noch zu sehen, bevor er starb.
Wenigstens hatte er ge-wußt, daß wir endlich zu Hause waren.
Als 1990 irakische Truppen in Kuwait einmarschierten, brachte Mustafa die Kinder nach Holland, wo Kristine sie besuchte. Der Besuch verlief äußerst unerfreulich. Maisoon und Hani waren ihr fremd geworden. Es war schwierig für Kristine, das gebrochene Englisch der Kinder zu verstehen. Beide waren tiefreligiöse Moslems.
Das schlimmste war, man hatte ihnen eingeredet, daß Kristine sie nicht liebe, und sie akzeptierten sie nicht mehr als ihre Mutter. Auch Kristi-nes Vater hatte sich damals zu Besuch angesagt, aber am Tag seiner Ankunft überlegte Mustafa es sich anders. An der Hotelrezeption hinterließ er eine Nachricht: »Wenn Du dies liest, sind wir wieder im Königreich Saudi-Arabien.«
Kristine berichtete mir: »Ich will nur noch schlafen und von ihnen träumen. Wenn ich dann aufwache, bin ich getröstet und ruhig. Im Traum spüre ich die Locken meiner Tochter und rieche ihre Wangen.« Leider sind Träume seit 1981 alles, woran sich Kristine klammern kann. Sie hofft, daß Maisoon und Hani zum Studium in die Vereinigten Staaten zurückkehren und daß die drei dann ihr gemeinsames Leben wiederaufnehmen werden.
Aber in Anbetracht der gegenwärtigen Meinung der Kinder von ihrer Mutter und deren Land ist auch dies wohl nur ein Traum.
Obwohl wir schon zahllose Stunden am Telefon miteinander gesprochen hatten, trafen Kristine und ich uns erst im Januar 1988, als wir zusammen in der Phil Donahue Sho'W auftraten. Sämtliche Studiogäste, darunter auch eine amerikanische Universitätsprofessorin, die zum Islam übergetreten war, wohnten im Drake Hotel in New York. Wir nahmen alle dieselbe Limousine zum Studio. Auf dem Weg zum 82
Studio begegnete ich zum erstenmal dem palästinensischen Mann der Professorin. Er hielt den Koran über die Tür der Limousine, damit wir ihn beim Einsteigen küssen konnten. Ich lehnte ab, fühlte mich aber sofort von diesem Mann eingeschüchtert. Er ließ sich nicht dazu herab, zusammen mit den Frauen im Fond zu sitzen, sondern nahm den Platz neben dem Fahrer ein. Während sich der Wagen in den Stadtverkehr einfädelte, begannen er und seine Frau, Koran-Verse zu singen. Als die Professorin abbrach und sich unserem Gespräch anschließen wollte, tadelte ihr Mann sie scharf wegen ihres ungehörigen Benehmens. »Ich muß beten«, sagte sie und fing wieder an zu singen. Nach unserer Ankunft
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