02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Kind verstecken. Wie jedoch Kristine Uhlman bestätigen kann, ist die Sicherheit eines Kindes nicht allein dadurch gewährleistet, daß man es versteckt. Ich kam mit Kristine im Jahr 1987 durch unser damals stetig wachsendes Verbindungsnetz in Kontakt. Ihren Mann Mustafa Ukayli hatte sie vor Jahren kennengelernt, als sie beide studierten. Sie heirateten 1975 im Zentrum für Lutherische Studenten der Ohio State University und hatten zwei Kinder: 1977 eine Tochter namens Maisoon, 1978 einen Sohn namens Hani.
Mustafa fing an, gewalttätig zu werden, und es gelang Kristine, ihm zusammen mit ihren Kindern zu entkommen.
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»Ich tauchte unter einem anderen Namen unter, denn ich wußte, daß er alles tun würde, seine Kinder ausfindig zu machen.« Rristine erzählte mir, sie habe sich mit ihren Eltern nur durch Dritte verständigt; ihre Eltern hätten nicht einmal gewußt, in welchem Bundesstaat sie lebte. Ein Gericht in Denver sprach ihr schließlich das einstweilige Sorgerecht für ihre beiden Kinder zu.
Kristines Eltern konnten nicht begreifen, weshalb sie ihren gutaussehenden, intelligenten und großzügigen Mann verlassen wollte. In der Zeit, als Kristine sich versteckte, wohnte Mustafa bei ihren Eltern, heulte ihnen etwas vor und versuchte sie zu überzeugen, daß seine Moralvorstellungen den ihren entsprächen. Heimlich ging er jedoch aus dem Haus, löste die gemeinsamen Bankkonten auf und organisierte die Papiere, die er brauchte, um ihr die Kinder wegzunehmen.
Am 11. September 1981 wurden Maisoon und Hani vor dem Haus, in dem sie wohnten, gewaltsam entführt.
Kristine erzählte mir: »Innerhalb von drei Tagen bekam Mustafa von einem islamischen Gericht in Saudi-Arabien die Scheidung. Er erhielt das Sorgerecht für die Kinder, und unser gesamter Besitz wurde ihm zugesprochen.«
Da Hilfe aus Amerika nicht möglich war, bat Kristine die saudische Regierung um Hilfe. Sie fand jedoch schnell heraus, daß diese weder ihre amerikanische Sorgerechtsverfügung noch die beiden Klagen wegen Menschenraubs gegen Mustafa anerkannte. Der saudische Botschafter wollte ihr ermöglichen, ihre Kinder zu besuchen - aber nur, wenn sie der Presse gegenüber schwieg. Kristine willigte ein. Damals setzten sich verschiedene andere verlassene Mütter mit mir in Verbindung, denen das gleiche gesagt worden war: »Verhalten Sie sich ruhig, vielleicht können wir dann etwas für Sie tun.«
Weil Kristine unbedingt ihre Kinder sehen wollte, war sie
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zu fast allem bereit und befolgte den Rat des amerikanischen Außenministeriums und der saudischen Botschaft.
Sie wollte sich in Saudi-Arabien niederlassen und dann den Fall vor ein islamisches Gericht bringen. Es dauerte fast zwei Jahre, bis die saudische Regierung ihr eine Aufenthaltsgenehmigung gewährte, die besagte, daß sie in Saudi-Arabien leben und dort als Bauingenieurin arbeiten durfte.
Eine Woche nachdem Kristine das Königreich betreten hatte, wurde sie verhaftet und in ein Frauengefängnis gesteckt. Fast die Hälfte der Insassen waren Kleinkinder. »Der Islam schützt die natürliche Bindung zwischen Mutter und Kind so weit, daß eine Mutter, die eingesperrt wird, ihr Kind bei sich in der Zelle behalten darf«, sagte Kristine. »In der ersten Nacht wurde ich von einer Lesbierin belästigt. Niemand im ganzen Gefängnis sprach Englisch. Es gab weder Matratzen noch Bettücher, und wir wurden nicht regelmäßig mit Nahrung versorgt, weil das Essen von der Familie oder von Freunden gespendet werden mußte.« Während Kristine inhaftiert war, rief ein Vertreter der saudischen Regierung bei ihren Eltern in Kalifornien an und eröffnete ihnen, daß sie ihrer Tochter helfen könnten - aber nur, wenn die Presse umgangen werde. Nach fünf langen Tagen im Gefängnis wurde Kristine entlassen. Bis heute weiß sie nicht, weshalb sie festgenommen wurde.
Kristine war noch immer von ihren Kindern abgeschnitten. Während der folgenden drei Monate sprach sie täglich beim saudischen Außenministerium vor. Sie ersuchte um die Erlaubnis, vor ein islamisches Gericht zu gehen, weil das islamische Gesetz einer Mutter ausdrücklich das Sorgerecht für ihre Kinder zuerkennt, bis diese sieben Jahre alt sind. Da Kristine ihren Wohnsitz im Land hatte, hoffte sie, dieses Recht zugesprochen zu bekommen.
Am 2. August 1983, fast zwei Jahre nach der Entführung, durfte Kristine ihre Kinder sehen. Hani, der gerade vier
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Jahre alt geworden war, konnte die Entführung bis ins Detail beschreiben; er
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