02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
dablieben.«
Als Ramez das Konsulat verließ, wußte er zunächst nicht, wohin er gehen sollte. Dann überquerte er einfach die Straße und suchte aufs Geradewohl einen Anwalt auf — einen Jungen Mann, der einen seriösen Eindruck machte und zu-169
erst den Fall näher kennenlernen wollte, ehe er sich auf eine Strategie festlegte. Er riet Ramez, in der Zwischenzeit nach New Jersey zurückzukehren und beim dortigen Gericht das Sorgerecht für die Kinder zu beantragen.
Nachdem Ramez den Rückflug um mehrere Tage verschoben und vergeblich versucht hatte, Muriel umzustimmen, folgte er dem Rat des Anwalts. Noch nie war ihm etwas so schwergefallen. Er würde seine Kinder in Südafrika zurücklassen und den Kampf um sie von den Staaten aus führen.
»Ich litt Qualen und fühlte mich innerlich zerrissen«, sagte Ramez. Um der Kinder willen versuchte er, sich zusammenzureißen. Als Muriel den Mädchen sagte, ihre Ferien würden noch länger dauern und ihr Vater käme in zwei Wochen wieder, um sie abzuholen, widersprach er ihr nicht. Er hoffte, den Prozeß rasch für sich entscheiden und seine Familie nach Hause holen zu können, bevor die Kinder etwas merkten. Hinterher bereute er seine Entscheidung. »Vielleicht hätte ich meinen Töchtern sagen sollen, was los war. Meine Schwiegereltern wären dadurch unter Druck gesetzt worden . . . Ich bedaure wirklich, daß ich ihnen nichts gesagt habe.«
Am Tag seiner Abreise blieb Muriel im Bett. »Ihr Gesicht war rot wie eine Tomate«, erinnerte sich Ramez. »Sie war so nervös, daß sie mich nicht einmal ansehen, geschweige denn von mir verabschieden konnte.«
Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten setzte sich Ramez mit dem südafrikanischen Konsulat in New York in Verbindung. Im Oktober erhielt er eine Antwort. »Wenn Sie nicht wollen, daß Ihre Kinder in Südafrika bleiben«, schrieb der für Auswanderungsfragen zuständige Vizekonsul, »können Sie eine eidesstattliche Erklärung vorlegen, in der Sie die Erlaubnis für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis Ihrer Kinder verweigern.«
Die Visa sollten am 4. Dezember auslaufen. »Ihre Erklärung wird dann an das Innenministerium in Pretoria zur Entscheidung weitergeleitet.«
Der Brief enthielt jedoch den Hinweis, daß sich das Ministerium »nicht in familiäre Streitigkeiten einmischen«
könne; diese müßten vielmehr »gerichtlich« beigelegt werden. In einem nachfolgenden Brief versicherte der Vizekonsul nochmals, daß sich Pretoria »nicht in die Privatangelegenheiten der Familie einmischen« wolle.
Theoretisch lehnt das südafrikanische Innenministerium die Verlängerung des Besuchervisums eines Kindes ab, wenn ein Elternteil gegen die Verlängerung ist. In der Praxis geht man jedoch nicht immer konsequent vor, besonders dann nicht, wenn es sich bei dem Elternteil, der die Verlängerung beantragt, um eine Mutter mit Wohnsitz in Südafrika handelt wie in Muriels Fall.
Anders ausgedrückt, die Regierung enthielt sich jeglicher Garantie oder Verantwortung - eine weitverbreitete Haltung, die Eltern, die von ihren Kindern getrennt sind, auf der ganzen Welt Schwierigkeiten bereitet.
Der 4. Dezember kam und ging, und Ramez mußte feststellen, daß die Visa der Kinder trotz seines schriftlichen Einspruchs verlängert worden waren. Er hatte den Eindruck, daß Muriel im Land der Apartheid einem Außenseiter aus dem Nahen Osten vorgezogen wurde, obwohl Libanesen rechtlich als »Weiße« galten.
Die Monate vergingen, und Ramez' Leben verlor seinen Sinn. »Nach der Arbeit drehte sich mein Leben immer nur um die Familie, um meine Frau und meine Kinder«, erklärte er- »Ich ging nie mit Kollegen aus. Frauen sagten mir, sie wünschten, ihre Männer wären ebensolche Väter wie ich. Keiner unserer Nachbarn hatte mit so etwas gerechnet.«
Bei früheren Trennungen war Ramez mit seinen Töchtern ständig in Kontakt geblieben. Er hatte sie alle paar Wo-171
chen angerufen und ihnen Tonbandaufnahmen mit Gutenachtgeschichten geschickt. Die Mädchen sprachen dann mit den Kassetten, als wäre Ramez bei ihnen im Zimmer. Jetzt war ihm der Kontakt verwehrt. Muriel war am Telefon ausfallend - »launenhaft, schrill, haßerfüllt. Sie sagt zu mir: >Leide!< und knallt den Hörer auf die Gabel.« Wenn die Mädchen am Telefon waren, hörte Ramez, wie Isobell ihnen die Antworten einflüsterte:
»Wenn ich sage: >Ich liebe euch< oder >Ich vermisse euch<, sagen sie: >Mhm< oder >Wir auch<. Wenn ich sie frage: >Habt ihr
Weitere Kostenlose Bücher