02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
lachten.«
Zumindest am ersten Tag war Isobell freundlich, und alles schien in Ordnung. Dann benahm sich Muriel mit einem Mal seltsam. Beim abendlichen Beisammensein mit der Familie rückte sie immer weiter von Ramez weg, oft ging sie sogar ins Nebenzimmer. »Sie bewegte sich wie in Trance - wie ein Zombie«, sagte Ramez.
Am 3. September, dem Tag vor ihrer geplanten Abreise, wurde Ramez das Gefühl nicht los, daß ihn noch eine schlechte Nachricht erwartete. Am Nachmittag bemerkte er in den Gesichtern einiger Freunde der Familie einen Ausdruck von Mitleid und Enttäuschung. Und er hörte die stets aufmerksame Victoria unschuldig sagen:
»Mommy bekommt ein Auto und einen Job.« Sicher meint sie damit einen Bürojob in New Jersey, dachte Ramez. Er wagte nicht, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
Am Abend zogen sich Muriels Eltern bereits um 20 Uhr in ihr Schlafzimmer zurück, was schon deshalb verdächtig war, weil sie sonst bis Mitternacht aufblieben.
»Es ist ja noch gar nichts gepackt«, sagte Ramez zu Muriel, als die Mädchen im Bett waren.
Sie setzte sich zu ihm auf das Sofa im Wohnzimmer und
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sah ihn mit prüfendem Blick an wie eine Fremde. »Ich will nicht zurück«, sagte sie. »Ich liebe dich nicht mehr.«
Ramez war wie vom Schlag getroffen. »Und die Kinder?« fragte er. »Überlege doch, wie weh du ihnen damit tust -und mir auch.«
»Das ist dein Problem«, sagte Muriel automatisch, als habe sie ihre Worte einstudiert. »Sie bleiben bei mir.«
Ramez war wie gelähmt. Auch als seine Frau seine schlimmsten Befürchtungen bestätigte, wollte er die finstere Realität, die ihn immer auswegloser umgab, nicht wahrhaben. Muriel konnte das unmöglich ernst meinen. »Wir müssen dieses Problem zu Hause in den Vereinigten Staaten lösen«, erklärte er mit Nachdruck.
Aber Muriel war unzugänglich für Argumente - ebenso wie ihre Eltern, die Ramez' Aufforderung, sich an der Auseinandersetzung zu beteiligen, bereitwillig Folge leisteten. Isobell konnte ihre Schadenfreude nur schwer unterdrük-ken. »Deine Frau liebt dich nicht mehr«, sagte sie. »Warum sollte sie also bei dir bleiben?«
»Sie kann sich in New Jersey von mir scheiden lassen, wenn sie mich nicht mehr will, aber sie kann mir nicht die Kinder wegnehmen«, sagte Ramez beharrlich.
Isobell war unbeeindruckt, als sprächen sie und Muriel mit einer Stimme: »Warum sollte sie nach New Jersey zurückgehen und vor Gericht allein gegen dich antreten? Hier können wir ihr die Hilfe geben, die sie braucht.«
Und dann fragte Isobell kalt: »Wie willst du den Kindern beibringen, daß du nicht mehr bei ihnen wohnen wirst?«
»Das könnte ich meinen Kindern nie sagen«, entgegnete Ramez.
»Aber es gibt doch viele Kinder, deren Vater stirbt, wenn sie noch ganz klein sind«, sagte Isobell. »Muriel hat ihr Leben vor sich - hier bei uns. Warum sollte sie mit dir zusammenleben, wenn sie dich nicht liebt? Nur wegen der Kinder.
Den Kindern geht es hier besser als in einem Heim ohne
Liebe.«
Sie diskutierten die ganze Nacht, ohne zu einer Lösung zu kommen. »Es sind sture Leute«, sagte Ramez. »Mit ihnen kommt man nicht weiter.« Als er nach den Pässen der Kinder fragte, lachte Muriel finster und sagte, sie habe sie versteckt. »Es war schlimmer, als ich dachte«, erzählte Ramez. »Meine Frau wußte, wie schwer es für mich war, von den Kindern getrennt zu sein, und hat immer verhindert, daß etwas von draußen unser Familienleben störte. Ihre Persönlichkeit hatte sich verändert, sie war ein völlig anderer Mensch geworden.«
Am nächsten Morgen verschob Ramez seinen Flug und fuhr zum amerikanischen Konsulat in Durban. Die dortigen Beamten erklärten, zwar könnten sie hinsichtlich seines »familiären Problems« nichts für ihn tun, aber wenn er die Mädchen mitbringe, könnten sie ihnen neue Pässe ausstellen. Würden sie ihm auch helfen, die Kinder zum Flughafen und außer Landes zu bringen? Das, sagten sie, sei völlig unmöglich.
Das Hauptproblem war laut Ramez, daß die neuen Pässe erst drei Tage nach Antragstellung fertig sein konnten.
Was, wenn in der Zwischenzeit eines der Mädchen ihr Vorhaben ausplauderte?
»Ich hatte Angst um meine Töchter«, erzählte Ramez. »Ich weiß nicht, was meine Schwiegermutter getan hätte.
Sie interessierte sich im Grunde nicht für meine Töchter - sie sorgte sich nur um ihre Tochter -, aber sie wußte genau, daß Muriel nur bei ihr bleiben würde, wenn meine Kinder auch
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