02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
erinnerte sie an all das, was sie leichtfertig weggeworfen hatte. Muriel sah ihn verwirrt an und begann zu stottern, als sei sie bei einer Lüge ertappt worden. Ramez spürte, wie sich ihre frühere Sanftheit und Zuneigung zu regen begannen.
In diesem Moment griff ihr Bruder Gordon ein. Er legte die Hände auf Muriels Schultern, drehte sie herum und schob sie zum Haus. »Überlassen wir die Entscheidung dem Gericht«, sagte er zu Ramez. »Sie kommt nicht mit dir.«
Im März führte Ramez ein vierstündiges Gespräch mit Muriel in ihrem Wohnzimmer. Er glaubte, sie fast so weit gebracht zu haben, daß sie endlich zu ihm zurückkehren wollte. Als er ging, durchbohrte Isobell ihn mit Blicken und schlug die Küchentür zu. Am nächsten Tag weigerte sich Muriel, mit ihm zu sprechen, und er war wieder gescheitert.
In den USA bemühte sich Ramez weiterhin um die Anerkennung der Sorgerechtsverfügung des Gerichts aus New Jersey. Er sammelte eidesstattliche Erklärungen: von einer alten Freundin Muriels aus England, der Muriel anvertraut hatte, »daß ihre Mutter schwierig war und . . . sich ständig in ihre Ehe einmischte«; von einem Freund der Familie aus Brooklyn, der sich für das »ganz normale Familienleben« der Shteihs verbürgte; und von einem früheren Vermieter aus New Jersey, der sich daran erinnerte, daß Vicky Ramez] immer an der Tür begrüßte, wenn er von der Arbeit nach Hause kam« und daß Ramez nach dem Abendessen stets mit der Familie im Park spazierenging.
177
Alle drei bezeugten, daß Ramez ein »guter Familienvater« sei, wie der Vermieter es ausdrückte, und daß seine Töchter ihn offensichtlich über alles liebten.
In dieser Zeit nahm Ramez auch Verbindung mit Muriels ältestem Bruder David auf, der sich mit seiner Familie über-worfen hatte und in Botswana lebte. David sagte, Isobell habe versucht, auch seine Ehe zu zerstören, und sie übe ungeheure Macht auf ihre Familie aus. »Ich fühle mit dir«, sagte David in einem auf Band aufgenommenen Telefongespräch zu Ramez, »aber solange Muriel unter dem Einfluß ihrer Mutter steht, hast du keine Chance.«
Zur selben Zeit wurden die Behörden der beiden Länder immer gleichgültiger. »Den Beamten bedeutet das alles nichts. Es sind ja nicht ihre Kinder«, klagte Ramez. Er befürchtet, daß er für die Bürokratie nur einer mehr ist, der Probleme mit seiner Schwiegermutter hat.
Im August 1987 flog Ramez zum letztenmal nach Südafrika. Er nutzte einen dreiwöchigen Urlaub zu einem letzten persönlichen Appell an Muriel. Er überschüttete sie mit Einladungen zum Abendessen und zu Wochenend- Picknicks mit den Kindern, aber sie wollte - oder konnte - sie nicht annehmen. Ramez stieß überall auf Hindernisse. Das war deshalb so frustrierend, weil er wußte, er konnte seine Frau umstimmen, wenn er nur die Gelegenheit dazu bekam. Als er eines Tages allein in ihrem Schlafzimmer stand, war er beeindruckt von den Fotos, die dort hingen. Es waren über fünfzehn Bilder; alle waren dort aufgenommen worden, wo Muriel sich am wohlsten gefühlt hatte, und auf allen war die Frau zu sehen, die ihr die aufrichtigste Liebe und das größte Verständnis entgegengebracht hatte: Ramez' Mutter in Beirut.
Ramez hatte noch nicht aufgegeben. Aber die Monate vergingen, seine Familie war nach wie vor 11000
Kilometer von
ihm entfernt, und der Kontakt wurde immer sporadischer. Trotz seiner Anweisungen erhielt er von den Schulen der Mädchen keine Zeugnisse. Daß Maya im Juni 1988 die Mandeln entfernt werden mußten, erfuhr Ramez erst am Tag vor ihrer Aufnahme ins Krankenhaus bei einem zufälligen Telefongespräch mit einem Kollegen Muriels.
Er spielte im täglichen Leben seiner Töchter nur noch eine unbedeutende Rolle, und anscheinend konnte er nichts dagegen tun.
Nach dem Umzug der Dunlops in die südafrikanische Küstenstadt Margate am Indischen Ozean im Jahre 1989
sprach Ramez zum letztenmal mit seinen Kindern am Telefon. Muriel und die Mädchen bewohnten ein Apartment neben dem ihrer Eltern. Da Muriel kein Telefon hatte, konnte Ramez seine Familie nur über die Schwiegereltern erreichen. Wenn er mit seinen Töchtern sprach, waren sie vorsichtig und zurückhaltend, und Ramez hörte, wie Isobell ihnen zuflüsterte, was sie sagen sollten. Bei anderen Gelegenheiten erklärte ihm Isobell, die Mädchen seien nicht zu Hause - ein Verhalten, das Ramez unerträglich fand. »Unter diesen Umständen wollte ich nicht mit meinen Töchtern sprechen«, meinte er.
Darüber
Weitere Kostenlose Bücher