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02 - Das Weltenschiff

Titel: 02 - Das Weltenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. Carver
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Seufzen, und die Maksu wirbelten wild durcheinander. Ein Großteil des wolkengleichen Schwarms flog spiralförmig in die Mulde hinab. Doch anstatt sich Bandicuts Gruppe zu nähern, verteilten sich die Maksu in dem Gewirr aus leuchtenden Eiskristallen und verschwanden außer Sicht.
    »Könnt ihr sie erreichen?«, fragte Antares die bei ihr verbliebenen Maksu.
    Ehe sie ihr antworten konnten, wurde die Stille von einem schmerzerfüllten Schrei zerrissen. Der Mensch unten in der Mulde hatte ihn ausgestoßen.
    Napoleon hörte Bandicuts Schrei und begann augenblicklich, den Oberkörper hin und her zu schwenken, mit beinahe unmerklichen Bewegungen: Er versuchte, den Schrei zu triangulieren und zu analysieren. Es schien sich um einen Schmerzensschrei zu handeln, aber was genau war John Bandicut widerfahren? Von seinem Vorsprung aus konnte Napoleon seine Gefährten zwischen den Eiskristallen unter sich kaum erkennen. Bandicut schien von einer gewaltigen Schneeflocke umhüllt zu sein. Es war unmöglich, seine körperliche Verfassung einzuschätzen. »John Bandicut!«, rief Napoleon. »Bitte antworten Sie!«
    Napoleon erhielt keine Antwort, jedenfalls nicht aus der Mulde. Stattdessen erwachten Napoleons Com-Schaltkreise zum Leben, und völlig unerwartet hörte er eine vertraute Stimme. »Napoleon, hier Copernicus. Ich stehe auf einem Vorsprung. Fünfundzwanzig Meter über John Bandicut. Ist er in Gefahr? Gib mir deine Position durch!«
    Napoleon aktivierte seinen Funk. »Transponder eingeschaltet. Ich stehe ebenfalls auf einem Vorsprung über John Bandicut. In zehn Metern Vertikaldistanz. Ich weiß nicht genau, in welchem Zustand er ist, und kann ihn nicht erreichen. Kannst du mir helfen?«
    »Ich empfange dein Transpondersignal, Napoleon! Die Maksu sind dabei, eine Verbindung herzustellen. Bleib auf Empfang …«
    Die Verbindung war so überwältigend, dass Bandicut instinktiv aufgeschrien hatte. Körperlich gelähmt, stand er in einem Kreis aus fantastischen, aufblühenden Eiskristallen – aber sein Denken und Fühlen war mit einer Art von gewaltigem Datenkessel verbunden. Bandicut meinte, dass ihn eine Datenflut – weit stärker als jedes menschliche NeuroLink zu überrollen drohte. Was er hier spürte, war das Eisnetz, nur exponentiell größer, tausende von Eisnetzkanälen, die im hoch komplexen Eiskern zusammenliefen und entlegene Teile von Schiffwelt miteinander verbanden … und unzählige Leute. Benommen begriff er, dass dies hier nur ein Nodus von vielen in dem Gebilde namens Baum aus Eis war.
    Er spürte Ik und Li-Jared in der Nähe, beide mit dem Eiskern verbunden, aber keiner so eng wie er selbst; seine Erfahrung mit dem NeuroLink befähigte ihn dazu, eine viel tiefere Verbindung zu dem Kern herzustellen als sie. Als sich vor ihm visuelle Daten aufbauten, sah er zugleich auch seine Freunde durch die Verbindung: virtuelle Schattengestalten, umrandet von feurigen Linien. Er sah Ik, der unablässig Fragen stellte; die Fragen glichen einem unaufhörlichen, wellenförmigen Lichtstrom: Warum? /Wer seid ihr?/ Erklärt ihr uns bitte, warum wir hier sind? /An einer anderen Stelle sah er Li-Jared, der, innerlich aufgewühlt, viel lauter war als Ik; auf der Suche nach Hinweisen huschte er innerhalb der aufgebauten Verbindung mal hierhin, mal dorthin. /Wer wird uns von hier fortbringen, wer bringt uns nach Hause …?/
    Aber es war offensichtlich, dass seine Freunde keine Antworten fanden.
    Hatte der Boojum sich wieder eingemischt? Nein, nirgends waren Anzeichen einer Störung zu sehen, nichts deutete darauf hin, dass er den Eiskern angegriffen hatte.
    Die Translatorsteine regten sich, und die visuellen Daten verwandelte sich in etwas, das Charlie-Eins ihm schon vor einer Ewigkeit gezeigt hatte, damals, als er Bandicut das quarxische Konzept von Meto-Ansichten und Meto-Attraktoren hatte erklären wollen. Bandicut sah rings um sich herum Bilder von Wasserläufen, die zusammenliefen und sich gabelten, sich in geschmolzenes Metall, dann in strömende Gase verwandelten und schließlich zu Fraktalmustern wurden. Der Anblick war umwerfend schön – chaotische Bewegungen und Kräfte – doch waren die Muster völlig abstrakt und ergaben für Bandicut keinerlei Sinn. Vielleicht hätte Charlie sie verstanden, aber für Bandicut schien es unmöglich zu sein.
    Nichtsdestoweniger spürte er, dass die Antworten auf seine Fragen in diese Muster eingebettet waren, darauf warteten, gefunden zu werden. Wäre doch nur das Quarx bei ihm!

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