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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Bewegung. »Ich setze gleich den Kessel auf«,
sagte sie. »Was brauchen Sie sonst noch?«
    »Ein bisschen
Borax und einen Viertelliter Olivenöl auf einen halben Liter Wasser«,
antwortete Felice.
    »Ich
mach' es Ihnen schon«, sagte MacGregor eilfertig.
    »Setzen
Sie sich, Felice«, forderte Rainbird sie auf und rückte ihr einen Stuhl
zurecht.
    Felice
setzte sich hin, öffnete das kleine Nähkörbchen, das sie immer bei sich trug,
und zog eine halbfertige Spitzenarbeit heraus.
    »Können
Sie klöppeln?« fragte Joseph und schaute gierig auf das zarte weiße Etwas in
Felice' Händen.
    »Ja.
Ich habe es in Frankreich gelernt.«
    »Das
war dann vor dem Terror, als Sie eine junge Frau waren«, sagte Jenny boshaft -
sie meinte die Französische Revolution von 1789.
    »Nein«,
sagte Felice ungerührt. »Ich war damals erst ein Kind.«
    »Natürlich«,
sagte Rainbird und warf Jenny einen strengen Blick zu.
    »Die
Spitze würde an einem Taschentuch wunderbar aussehen«, meinte Joseph
sehnsüchtig.
    Rainbird
sah sich nach Lizzie um und erinnerte sich dann erleichtert, dass sie auf einem
Botengang war. Er wußte, wie viel dem kleinen Küchenmädchen das Geschenk von Joseph
bedeutete.
    »Ta, ta,
ta«, lachte Felice. »Sie müssen gar nicht so nahe an mich heranrücken. Ich
mache Ihnen ein Taschentuch.«
    »Oh,
danke«, freute sich Joseph. »Wann?«
    »Joseph!«
ermahnte ihn Rainbird.
    »Ganz
bald«, sagte Felice mit einem leisen Lächeln, das so typisch für sie war.
Joseph lächelte traumverloren zurück. Er sah sich schon, wie er das Taschentuch
im »Running Footman« hervorzog und es Luke, dem Lakaien von nebenan, unter die
neidische Nase hielt.
    »Mrs.
Hart ist in bester Laune«, sagte Rainbird. »Madam hat die Güte gehabt, mir
mitzuteilen, dass die Harts am nächsten Donnerstag zu einem Ball der Quesnes am
Berkeley Square eingeladen sind. Wenn Dave daheim bleibt, um das Haus zu hüten,
bedeutet das, dass wir alle einen Abend frei haben. Ich habe gestern abend viel
Trinkgeld von unseren angeheiterten Gästen bekommen. Lord Petersham war sogar
so großzügig, mir etwas für die zerbrochene Fensterscheibe zu geben; das habe
ich Mrs. Hart natürlich nicht erzählt. Deshalb schlage ich vor, wir bleiben bei
unserem alten Brauch und verteilen das Geld gleichmäßig.«
    »Sieh
einer an! Wie seltsam«, meinte Felice. »Ich bin der Meinung, dass die
ranghöheren Diener mehr bekommen sollten.«
    »Aber
nicht in diesem Haus«, fuhr Jenny sie an. »Wir sind wie eine Familie, oder, Mr.
Rainbird? Vielmehr, wir waren es, bevor Sie gekommen sind«, fügte sie unhörbar
hinzu.
    »Was
werden Sie an Ihrem freien Abend unternehmen, Mr. Rainbird?« fragte Mrs.
Middleton, plötzlich ganz verlegen. Obwohl Rainbird ihr niemals irgendwelche
Hoffnungen gemacht hatte, träumte Mrs. Middleton davon, dass ihr der Butler
eines Tages einen Heiratsantrag machen würde, wenn sie beide die Möglichkeit
hätten, sich zur Ruhe zu setzen.
    »Was
das betrifft«, sagte der Butler betont. beiläufig, »hätte ich große Lust, ins
Theater zu gehen - wenn Miss Felice mir die Ehre antun würde, mich zu
begleiten.«
    Alice,
das Hausmädchen, schaute den Butler erstaunt und ungläubig an. Die Diener waren
auf eine arglose Art immer wie Brüder und Schwestern gewesen; Rainbird war das
Haupt der Küchenfamilie. Der Gedanke, dass der Butler einer Frau gegenüber
zärtliche Gefühle hegen könnte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.
    Mrs.
Middleton sah so aus, als ob sie jeden Augenblick zu weinen anfangen würde.
Jenny murmelte etwas vor sich hin und lief aus der Küche. Joseph starrte mit
gerötetem Gesicht zu Boden.
    »Nun?«
fragte Rainbird sanft. Seine Augen blickten voll warmherziger Zärtlichkeit auf
die Zofe.
    Felice
hob die schwarzen Augen von ihrer Näharbeit. »Ich danke Ihnen, Mr. Rainbird«,
sagte sie. »Ich würde das Stück sehr gerne sehen, glaube ich.«
    »John«,
sagte Rainbird. »Mein Name ist John.«

    Es war Jane, die
oben am Fenster stand und Euphemia nachschaute, denn die ältere Schwester fuhr
als erste. Zunächst hatte Jane nur neidische Blicke für das Ensemble ihrer
Schwester. Euphemia sah aus wie ein Bild aus einem Modejournal. Sie trug ein
Kleid aus weißem Musselin mit Schürzeneinsatz, dessen Bänder um die Taille
geschlungen und unter dem Busen zu einer Schleife gebunden waren. Das Dekolleté
wurde von der Rüsche ihres Unterkleids umrahmt. Das Kleid hatte kurze,
plissierte Ärmel und einen Rock mit kurzer Schleppe und gerafftem Saum.

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