02 - Die ungleichen Schwestern
Hart hinunter: »Captain Hart läßt
Ihnen Grüße ausrichten und wünscht, dass MacGregor weder bestraft noch
entlassen wird.«
Mrs.
Hart kochte innerlich. Was war mit dem Mann los, der ihr einmal zu Füßen
gelegen hatte?
Bald
kam auch Mr. Bullfinch zurück und nahm seinen Platz neben Jane wieder ein. Jane
litt unter qualvollen Gewissensbissen. Wo war Lord Tregarthan? Warum kam er
nicht wieder? All ihren Mut zusammennehmend, wandte sie sich an Mr. Bullfinch.
»Mr. Bullfinch, ich muss Ihnen erklären, wie das mit ... mit den Briefen
gewesen ist.«
»Ja?«
sagte Mr. Bullfinch und schob seinen, Teller weg. »Fangen Sie an.«
Stockend
erzählte ihm Jane, wie es gekommen war, dass sie sich für den Tod von Clara
interessierte, wie die Briefe durch Zufall aufgetaucht waren und dass sie sie
gelesen hatte, um sich zu überzeugen, dass es nicht irgendwelche alten Briefe
waren, die jemand vor langer Zeit im Schreibtisch vergessen hatte.
»Sie
haben also, weil Sie davon überzeugt waren, dass ich meine Verlobte ermordet
habe«, bemerkte Mr. Bullfinch trocken, »aus einem meiner Briefe zitiert und
hofften, mich schreckensblass vor Schuldgefühlen werden zu sehen.«
Jane
ließ den Kopf hängen,
»Geben
Sie mir die Briefe zurück, und wir werden nie mehr ein Wort über die
Angelegenheit verlieren«, bot Mr. Bullfinch an. »Ich hätte die Einladung Ihrer
Mutter nie annehmen dürfen, aber das Verlangen, noch einmal in diesem Haus zu
sein, wo ich so viele glückliche Stunden mit Clara verbrachte, war zu stark. Es
war ein Fehler.«
»Aber
... aber möchten Sie denn nicht wissen, wie sie gestorben ist?« wagte Jane
schüchtern zu fragen.
»Können
Sie sich denn meinen furchtbaren Schmerz nicht vorstellen, als ich von ihrem
Tod erfuhr, und wie genau ich den Arzt und den Leichenbeschauer befragt habe?
Und meine Neugier«, fuhr er bitter fort, »war nicht die Neugier eines sich
langweilenden, verwöhnten Kindes, sondern die eines leidtragenden Liebenden.«
Jane
fühlte sich zusehends kleiner und schäbiger.
»Ich
gebe Ihnen Ihre Briefe nach dem Essen zurück«, sagte sie.
»Und
Sie lassen die Angelegenheit auf sich beruhen?«
»Ja«,
erwiderte Jane bedrückt.
Lord
Tregarthan kam herein und setzte sich mit einer Entschuldigung an die Hausfrau
wieder hin.
Die Tür
zum Speisezimmer öffnete sich noch einmal, und Dave, der Spüljunge, steckte den
Kopf herein und machte Rainbird ein Zeichen.
Rainbird
ging hinaus und kam nach ein paar Minuten zurück, um Joseph zu rufen.
Mrs.
Hart presste die Lippen aufeinander. Es hatte heute abend schon genug
Verwirrung und haarsträubende Dinge gegeben. Sie würde nicht fragen, was los
war.
Die
Unterhaltung erstarb wieder. Man hörte von draußen Männerstimmen, und dann ein
Stöhnen und Schnaufen und Getrappel von Füßen. jemand trug eine schwere Last an
der Tür vorbei. Mittlerweile hatten die Gäste es aufgegeben, wenigstens so zu
tun, als ob sie sich unterhielten. Alle horchten auf die Geräusche von draußen.
Die
Haustür fiel ins Schloss, und man hörte auf der Straße das Rumpeln von
Kutschenrädern.
Mrs.
Hart hielt es nicht mehr aus, ging zum Fenster und schob die Vorhänge zur
Seite.
Rainbird
und Joseph banden gerade den großen Schiffskoffer ihres Gatten an einer
Mietkutsche fest.
Der
Captain kletterte in die Kutsche und sagte etwas zu Rainbird. Dann fuhr die
Kutsche ab.
»Was
ist los, Mama?« fragte Euphemia.
»Nichts«,
antwortete Mrs. Hart und ließ den Vorhang fallen. »Gar nichts.«
Als sie
später im Salon saßen, bemerkte Lord Tregarthan, dass Jane heimlich aus dem
Zimmer schlüpfte.
Sie kam
wenige Minuten später mit einem Bündel Briefe zurück, das sie Mr. Bullfinch
übergab, der sie nahm und in seine Tasche steckte.
Lord
Tregarthan hätte gerne mit Jane gesprochen, um herauszufinden, was geschehen
war, aber Mrs. Hart befahl ihr, die Gäste zu unterhalten.
Er
folgte ihr zum Klavier und drehte die Noten für sie um. Sie spielte ohne
Anteilnahme, ihre Finger stolperten über die Tasten. Schließlich legte er seine
Hand auf ihre und sagte leise: »Genug. Sie müssen mir sagen, was Sie
bekümmert.«
Jane
schaute sich schnell um. Ihre Mutter plauderte mit den Gästen und unterbrach
sich nur, um Mr. Bullfinch »Gute Nacht« zu sagen. Euphemia unterhielt sich
leise mit dem Marquis of Berry.
Mit
gesenkten Kopf berichtete Jane flüsternd von ihrem dummen Vorhaben, Mr.
Bullfinch mit dem Inhalt der Briefe überführen zu wollen.
»Ich
werde mit ihm sprechen«,
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