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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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verführen.
Mit schleppenden Schritten begab er sich zu Bett, ohne zu wissen, dass die
kleine Lizzie auf ihrer Matratze in der Spülküche wach lag, den großen Kater
umarmte und über den Kummer des Butlers weinte.

Zehntes
Kapitel

    »Ich bin gekommen,
um mich zu verabschieden«, sagte Lord Tregarthan.
    Janes
erster Gedanke war, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, weil er
die Sache mit den Briefen zu anstößig fand. Er hatte zwar so getan, als habe er
Verständnis für ihr Verhalten, aber Gentlemen hatten ein solch hohes Ehrgefühl,
und Mama sagte immer, wenn es darauf ankäme, hielten sie zusammen. Er hatte
Zeit gehabt, über ihre Dummheit nachzudenken, und war der Meinung, dass ihr
Anstand und Manieren fehlten. Sein Mitgefühl gehörte ganz und gar Mr.
Bullfinch.
    »Leben
Sie wohl«, sagte Jane und wünschte, er würde schnell gehen, damit sie ihren
Schmerz durch einen heftigen Tränenausbruch erleichtern könnte.
    »Oh,
wie förmlich«, zog er sie auf. »Setzen Sie sich, Jane, ich muss Ihnen etwas
sagen. Während ich fort bin, dürfen Sie Ihre Nachforschungen zu Miss Claras Tod
nicht weiterbetreiben.«
    »Glauben
Sie, dass ich in Gefahr bin?« fragte Jane mit großen Augen.
    »Ich
glaube, dass Sie in Gefahr sind, sich in den Augen der Gesellschaft lächerlich
zu machen. Ich hatte Glück und traf Mr. Bullfinch nach dem Dinner bei Brook an,
und es gelang mir, ihn zu überreden, Ihnen zu verzeihen. Er lässt sich bei
Ihnen entschuldigen, falls er zu barsch gewesen sein sollte. Er sagte, er sei
außer sich gewesen, und der Besuch dieses Hauses habe alte Wunden wieder
aufgerissen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Clara, obwohl Mr. Bullfinch
ihr Andenken so ehrt, nicht das unschuldige Mädchen war, für das wir sie
gehalten haben. Aus dem, was Mr. Bullfinch :absichtslos fallenließ, schließe
ich, dass die schöne Clara Gefallen daran fand, ihn zu quälen.«
    Jane
war drauf und dran zu sagen, sie habe das gleiche aus den Briefen
geschlossen, fand dann aber, es sei besser, Lord Tregarthan nicht daran zu
erinnern, dass sie sie gelesen hatte, »Verreisen Sie?« fragte sie statt
dessen. »Wohin fahren Sie?«
    Er
schwieg einen Moment und sagte dann leichthin: »Nach Süden.«
    »Warum?«
    »Ich
möchte einen Weber aufsuchen, der sehr schöne Stoffe haben soll. Wenn ich
zurückkomme, werde ich so umwerfend gut aussehen, dass Sie mich nicht mehr
wiedererkennen.«
    »Und
das ist alles, woraus Sie sich etwas machen?« fragte Jane. »Ihr Schneider? Ihre
Kleider? Die Saison?«
    »Ich
mache mir etwas aus Ihnen, Jane«, erwiderte Lord Tregarthan zu seiner
eigenen Überraschung . »Ich mache mir wirklich etwas aus Ihnen.«
    Jane,
die eben noch zu Tode betrübt gewesen war, war auf einmal so
überglücklich, dass sie sich am Tisch festhalten musste. Sie versuchte,
sich daran zu erinnern, was Felice ihr beigebracht hatte-. wie man
Komplimente eines Herrn, den man bestärken will, anmutig entgegennimmt
und wie man unwillkommene Annäherungsversuche zurückweist. Aber ihr Gehirn war
vollständig leer. Sie ließ den Kopf hängen und wurde rot. Sie sehnte sich
danach, zu ihm aufzuschauen, um festzustellen, ob er in ihr die Frau sah oder
ob er sie als eigensinniges Schulmädchen, das nicht allein auf sich aufpassen
konnte, betrachtete.
    »Ich muss
jetzt gehen«, sagte er liebevoll. »Es ist nicht recht, dass wir uns auf diese
unpassende Art treffen.«
    »Ja«,
stimmte Jane höflich zu und hielt ihm die Hand hin, während in ihrem Inneren eine
Stimme flehte: Ich liebe dich, bitte, liebe mich auch.
    Er nahm
ihre Hand und zog sie an seine Lippen . Sie trug immer noch ihr
Abendkleid; ihr Kopf war geneigt, so dass er nur die Rosen in ihrem Haar sehen
konnte. Er legte ihr einen Finger unter das Kinn und bog ihr Gesicht nach oben.
Janes große haselnussbraune Augen begegneten den seinen mit einer solchen
Liebesglut, dass er ein Stöhnen unterdrückte, sie in die Arme riß und seinen
Mund auf den ihren presste.
    In
einem einzigen Augenblick überschritt Jane auf einer Woge von glühender
Leidenschaft die Schwelle vom Mädchen zur Frau. Als sie seine Lippen auf den
ihren spürte, als sich seine Arme immer fester um sie schlossen, stieß sie in
einer Aufwallung von Süße und Schmerz, von Sehnsucht und Leidenschaft einen
erstickten Schrei aus.
    Lizzie,
die wach auf ihrer Matratze lag, hörte den unterdrückten Schrei. Sie wußte, dass
Miss Jane und Lord Tregarthan allein im Essraum der Diener waren. Sie wußte
auch, dass Rainbird

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