02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
»Was soll das sein?«, bellte sie.
André verfiel sofort in seine Litanei. »Madame, es handelt sich um eine
mousseline
aus
almandine
und
nougatine
, geschlagen zu einer
sabayon
von
praline
und
souffline
…«, und so weiter. Terry unterbrach ihn, hob die Hand über die unberührte Oberfläche der prachtvollen Kreation, grub dann mit einem Finger aus einer langen Furche ein beachtliches Stück Süßspeise heraus, saugte es sich mit einem lauten Schmatzer vom Finger, neigte den Kopf zu Seite, dachte einen Moment nach und sagte dann, sich vom Kellner demonstrativ abwendend: »Nehmen Sie das weg, es ist Scheiße.«
Robert und ich bekamen den Mund nicht zu. Mikeäußerte später die Vermutung, dass sie sich so verhalten hatte, um uns mit ihrer Schonungslosigkeit zu beeindrucken und uns spüren zu lassen, dass wir entbehrlich waren und sie keine Gnade kannte. Ich fand einfach nur, dass es das scheußlichste Verhalten eines Menschen war, das ich je erlebt hatte, und ich hatte sogar einmal gesehen, wie ein Mann in der Lobby eines 4-Sterne-Hotels am Empfang seinen Schwanz hervorgeholt, auf den Tresen gepisst und dabei den Empfangsportier sowie zwei unbeteiligte Zuschauer bespritzt hatte.
Terry spürte unsere Blicke und lächelte unwirsch. »Das Dessert war Scheiße. Scheiße ist Scheiße. Hab ich übrigens gesagt, wie wichtig die Choreographie ist?«
Wenn jener Lunch ein Test gewesen war, hatten wir ihn irgendwie bestanden, denn Terry und Jimmy sagten zu, ihr Geld beizusteuern.
Ich reiste nach England zurück, und Hugh und ich machten uns daran, Sketche für die Pilotsendung unserer Fry-and-Laurie-Fernsehshow im nächsten Jahr zu schreiben.
»Wir sollten auf Tour gehen«, sagte Hugh.
»Auf Tour?«
»Wenn wir uns auf eine Tournee durchs ganze Land einlassen, sind wir gezwungen, dafür Material zu schreiben. Mit der Shakespeare Masterclass können wir nicht mehr kommen, mit Dracula auch nicht … nur neues Material.«
Obwohl wir nicht wirklich bekannt waren und ganz gewiss nicht so berühmt, wie Harry und Ben es langsam wurden, war anscheinend in College- und Universitätsstädten das Interesse so groß, dass eine Tournee organisiert werden konnte. Wir schrieben und starrten aus dem Fenster und gingen auf und ab und kauften uns BigMacs und schauten aus dem Fenster und machten Spaziergänge und rauften uns die Haare und fluchten und sahen fern und kauften noch mehr Big Macs und fluchten wieder und schrieben und schrien vor Entsetzen, als die Uhr zeigte, dass ein weiterer Tag vergangen war, und wir sahen uns an, was wir geschrieben hatten, und ächzten und verabredeten uns gleich für den nächsten Morgen, und derjenige, der an der Reihe war, erklärte sich einverstanden, Kaffee mitzubringen und Big Macs.
Nachdem wir einiges Material beisammenhatten, musste ich zu den Proben von
Me and My Girl
wieder nach New York. Geplant war, dass ich gleich nach der Premiere zurückkam. Wir würden auf Tournee gehen und eine Fry-and-Laurie-Pilotshow aufzeichnen, die Weihnachten gesendet würde und der im nächsten Jahr eine ganze Staffel folgen sollte.
Me and My Girl
wurde in Manhattan irgendwo unten in der Nähe des Flatiron Building geprobt. Ich hatte zur Durchführung eines Theatervorhabens noch nie so großzügige Räumlichkeiten vorgefunden und solche Ordnung erlebt. Es gab ein Tanzatelier, einen Gesangsraum und sogar einen »Buch«-Raum von riesigen Ausmaßen, der einzig und allein gedacht war, meine Anteile am Skript zu proben. Direkt damit verbunden war mein eigenes Arbeitszimmer, hervorragend ausgerüstet mit einem Schreibtisch, einer elektrischen Schreibmaschine, Schreibpapier und einer Kaffeemaschine. Mike Ockrent leitete wieder sein Produktionsteam, aber von der britischen Besetzung war nur noch Robert geblieben. In London hatte Enn Reitel für ihn übernommen, und ihm sollten während der langen Laufzeit Gary Wilmot, Karl Howman, Brian Conley, Les Dennis undviele andere folgen. Hier in New York standen Maryann Plunkett, die ich in
Sunday in the Park with George
gesehen hatte, als Sally und George S. Irving als Sir John mit Robert auf der Bühne.
Ich wohnte im Wyndham, einem altmodischen Schauspielerhotel in der 58th Street. Die Zimmer waren so geräumig wie geschmacklos und Bäder und Armaturen noch dieselben wie 1948. Neben jedem Bett stand ein Telefon ohne Wählscheibe oder Knöpfe. Nahm man den Hörer ab, wurde man automatisch mit der Rezeption verbunden. »Ich möchte jemanden anrufen«, musste man der
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