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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Klassensystem haben, tun wir alles, um klarzustellen, dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Weil Amerika keins hat, scheint man dort umso mehr dem Ruhm, Status und Prestige zu huldigen, die eine Leistung mit sich bringen kann.
    Mit einem Kloß im Hals und dankbar, dass keiner seiner britischen Kollegen Zeuge dieses Augenblicks wurde, sprach er den Regisseur vor aller Augen an. »Okay, Tommy. Nur noch ein Take, und dann sollten alle ihre Kostüme ablegen und sich auf den Weg machen dürfen.«
    »Sicher, Bob«, sagte der Regisseur. »Absolut. Was immer Sie sagen.«
    Alle lächelten, und Robert begriff die Pflichten und die Verantwortung eines Stars.
     
    Me and My Girl
wurde in Downtown Los Angeles zur Probe aufgeführt, und zwar im Dorothy Chandler Pavilion, der bekannt ist, weil dort alljährlich die Oscar-Verleihungen stattfinden. Ich wohnte im Biltmore Hotel am Pershing Square, fast so nahe am Theater, dass ich zu Fuß gehen konnte. Wir befanden uns in Los Angeles, und wie jeder weiß, wird hier natürlich nicht zu Fuß gegangen. Außerdem: Wenn man ein hellrotes Mustang-Cabrio gemietet hat, will man es zu jeder Gelegenheit benutzen. Es gab für mich eigentlich nur sehr wenig zu tun, außer dass ich die ersten Vorstellungen zu besuchen und gelegentlich, wenn verlangt, neue Dialogzeilen beizusteuern hatte. So nett das Biltmore sein mochte, fand ich nach einer Woche,dass ich meine gesamten Spesen für ein Wochenende im Bel Air Hotel verpulvern sollte. Für den immens niedrigen Preis von 1.500 Dollar die Nacht hatte ich einen kleinen Bungalow und einen wunderschönen Garten für mich, in dem mein ganz persönlicher Kolibri allein zu meinem Ergötzen umherschwirrte. Am zweiten Abend lud ich den Chor sein, dessen sämtliche Mitglieder sich hereinzwängten, für 600 Dollar Wein und Spirituosen vertilgten und dann in Wolken von Küsschen und überschwänglicher Dankbarkeit verdufteten.
    L. A. war unsere einzige Test-Stadt, und die Show war bei einem eher betagten Abonnementspublikum gut angekommen. Der Broadway war die nächste Station, und dort gab es kein Entkommen und keine zweite Chance. Es ist eine bekannte Eigenheit der New Yorker Theaterszene, dass eine Produktion allein aufgrund der Rezension in der
New York Times
steht oder fällt. Es ist die Zeitung, nicht der jeweilige Kritiker, die diese furchtbare Macht ausübt. Wie Bernard Levin einmal bemerkte, könnte selbst ein Berberaffe auf dem Kritikerstuhl der
Times
eine Show zum Untergang verurteilen. Frank Rich war gegenwärtig der Berberaffe, dem wir es recht machen mussten, und vor dem Premierenabend ließ sich absolut nicht sagen, ob er den Daumen heben oder senken würde. Wenn er ihn senkte, wäre das Ende der Produktion eingeläutet, Jimmy, Terry und Richard hätten ihr Geld verloren, und die Ensemblemitglieder würden allesamt gefeuert werden. Blamage auf der ganzen Linie.
    Wir hatten bereits ein gewisses Maß an Unwillen in dieser Stadt erregt, weil wir mit unserer Show das Marriott Marquis Theatre eröffnen würden, das als Teil eines großangelegten Umbauprojekts am Times Square errichtet worden war. Um für ein riesiges Hotel Platzzu schaffen, war das heißgeliebte Helen Hayes Theatre abgerissen worden, begleitet von so vielstimmigem und leidenschaftlichem Protest, dass die Marriott-Gruppe versprach, ein neues Theater in das Bauvorhaben zu integrieren. Eben das Marquis.
    Bei der Generalprobe lagen die Nerven bloß, und Jimmy Nederlander und Terry Allen Kramer, denen als Produzenten zum Abbau der Anspannung alles verwehrt blieb bis auf das Vergnügen, Leute zu feuern, hatten Blut gerochen. Ihre alte Unsicherheit in Bezug auf die Tanznummern kam wieder zum Vorschein, und da ich hinter ihnen saß, hörte ich sie über Gillian Gregory murren und meckern. Wie sie meinen konnten, dass es hilfreich wäre, sie am Tag vor Beginn der Previews zu feuern, weiß ich nicht, aber ich nehme an, dass viele Shows in noch kürzerer Zeit gerettet worden waren. Ich vermute, ihnen gefiel die Idee, Tommy Tune oder Bob Fosse oder eine andere Tanzlegende anzuheuern, sie allesamt drei Tage lang achtzehn Stunden am Tag arbeiten zu lassen, und dann der Welt mitzuteilen, wie sie Leute rausgeschmissen und damit die Show gerettet hatten. Amerikanische Tycoons in der Unterhaltungsindustrie sehen sich allzu gern in der Rolle des brettharten, kompromisslosen Widerlings zum Mythos verklärt. Theaterleute hassen Dramatik – davon haben sie bei der Arbeit genug; Nichttheaterleute

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