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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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notierte ich sicherheitshalber eintausendfünfhundert. Schitt-Hawse sah mir über die Schulter und kontrollierte, was ich schrieb. Offenbar fürchtete er, dass ich einen
    anderen Zielort bestimmte.
    »Den nehme ich wieder an mich«, sagte Schitt-Hawse und
    griff, sobald ich fertig war, nach dem Stift. »Nicht, dass ich
    Ihnen nicht traue, aber sicher ist sicher.«
    Ich holte tief Luft, schlug den Band mit Poes Gedichten auf
    und las:

    Mitternacht, von Gram umschattet,
    Grübelnd saß ich, sann ermattet
    Über Rachepläne, schwor Vergeltung der verfluchten Next –
    Die leidige Jane Eyre, welch Wunder,
    Gab meinem Seelenfeuer Zunder,
    So sitz ich eifernd geifernd eingesperrt in diesen Text.
    »Holt mich raus!« so ruf ich rasend. »Ich will raus aus diesem
    Kerker,
    Sonst puste ich euch alle weg!«

    Sieht so aus, als wäre er immer noch ziemlich wütend, dachte
    ich. Er versucht den Text immer noch umzudichten.

    Ich erinnere mich genau,
    Der Septembertag war grau,
    Als mich die üble SpecOpS-Frau
    Durch die Tür des ›Rabens‹ lockte,
    Wo seither ich trübe hocke.
    Die Tat wär sicher schnell vollbracht,
    Dass ich mich in die Freiheit rette,
    Wenn ich bloß eine Knarre hätte,
    Und dem Weib gäb ew'ge Nacht.

    »Er wird Ihnen natürlich kein Haar krümmen, Miss Next«,
    versicherte Schitt-Hawse. »Er wird festgenommen, ehe Sie
    Ketchup sagen können.«
    Also sammelte ich meine Gedanken, entschuldigte mich innerlich bei Miss Havisham für meinen Ungehorsam, räusperte
    mich, um sowohl die Kehle als auch das Gemüt von allen Klebrigkeiten zu reinigen, und fing laut an zu lesen.

    Ich hörte entferntes Donnergrollen und spürte Flügelschlag vor
    meinem Gesicht. Eine tintige Schwärze umgab mich, ein heftiger Windstoß zerrte an meinen Kleidern und wehte mir das
    Haar in die Augen. Ein Blitz erhellte den Himmel um mich
    herum, und mir wurde schlagartig klar, dass ich hoch über dem
    Erdboden schwebte. Der Regen schlug mir ins Gesicht, und ich
    erkannte im schwachen Mondlicht, dass ich zwischen schwarzen Gewitterwolken dahinsegelte. Als ich gerade zu dem Schluss
    gelangt war, dass ich womöglich einen Riesenfehler gemacht
    hatte, dieses Abenteuer ohne die richtige Schulung und Vorbereitung begonnen zu haben, fiel mir zwischen den wirbelnden
    Regentropfen ein winziges gelbes Licht auf. Es wurde rasch
    größer, und ich erkannte, dass es nicht bloß ein Pünktchen war,
    sondern ein helles Rechteck. Aus dem Rechteck wurde ein
    Fenster mit Fensterrahmen und Glasscheiben und Vorhängen.
    Mein Sturzflug beschleunigte sich, und gerade als ich dachte,
    ich müsste mit dem Kopf an das Glas schlagen, war ich plötzlich
    im Inneren des Hauses, wenn auch atemlos und völlig durchnässt.
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlug Mitternacht, als ich
    mich zu sammeln versuchte und mich umsah. Die Möbel waren
    aus poliertem, schwarzem Eichenholz, die Vorhänge dunkelrot
    und die Wände, soweit sie nicht von Bücherborden und morbiden Kupferstichen bedeckt waren, zeigten ein trübes Braun. Die
    Beleuchtung bestand aus einer einzelnen, flackernden Öllampe,
    deren ungestutzter Docht hemmungslos rauchte. Der Raum war
    in schrecklicher Unordnung; die Büste der Pallas Athene lag
    zerschmettert vor dem Kamin, und die Bücher, die einst die
    Wände geziert hatten, lagen mit gebrochenen Rücken und
    herausgerissenen Seiten am Boden. Einige waren offensichtlich
    zum Feuermachen benutzt worden, und überall flogen angesengte und halb verbrannte Seiten und Aschenreste herum.
    Aber all das interessierte mich nicht übermäßig, denn vor mir
    saß das lyrische Ich des Gedichts, ein junger Mann Mitte zwanzig, gefesselt und geknebelt auf seinem Lehnsessel und sah mich
    flehentlich an. Vergeblich kämpfte er gegen die Vorhangschnur,
    die ihn an den Stuhl fesselte, und die Worte, die er hervorzustoßen versuchte, blieben unhörbar. Ich entfernte sowohl den
    Knebel als auch die Stricke, und sofort begann der junge Mann
    lauthals zu deklamieren:
    »Ein Besucher ist's an meiner Tür«, rief er hastig, als ob sein
    Leben davon abhinge. »Nur das und weiter nichts!«
    Damit verschwand er durch die Tür ins Nebenzimmer.
    »Verdammt, Sebastian!«, brüllte eine erschreckend vertraute
    Stimme. »Muss ich dich denn an den Stuhl nageln? Wenn es
    bloß Hammer und Nägel in diesem verfluchten lyrischen Loch
    gäbe!«
    Die Stimme kam näher, unterbrach sich aber sofort, als der
    Sprecher den Raum betrat und mich dort erblickte. Jack Schitt
    war in kläglichem

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