02_In einem anderen Buch
eine Pause. Meine Mutter stieß ihren Mann
mit dem Ellbogen an, als ob sie ihn veranlassen wollte, etwas zu
sagen.
»Thursday«, sagte sie schließlich, als deutlich wurde, dass er
nicht reagierte, »dein Vater und ich sind der Ansicht, du solltest
Urlaub machen, bis unser erstes Enkelkind geboren wird.
Irgendwo, wo es sicher ist. Irgendwo anders.«
»Ach, ja!« fiel mein Vater abrupt ein. »Jetzt, wo Goliath, Aornis und Lavoisier alle gleichzeitig hinter dir her sind, ist das
Hier &. Jetzt nicht gerade der beste Aufenthaltsort für dich.«
»Ich kann schon selbst auf mich aufpassen.«
»Das habe ich auch gedacht«, murmelte Lady Hamilton und
starrte sehnsüchtig auf das Schränkchen mit dem Koch-Sherry.
»Ich werde Landen zurückholen«, sagte ich fest entschlossen.
»Dazu bist du jetzt vielleicht auch noch in der Lage«, sagte
mein Vater. »Aber was ist in sechs Monaten? Du brauchst eine
Pause, Thursday, und die solltest du jetzt machen. Natürlich
musst du kämpfen, aber du solltest dann kämpfen, wenn die
Chancen etwas besser für dich sind.«
»Was sagst du, Mum?«
»Er hat Recht, Liebling.«
Ich rieb mir die Stirn und setzte mich auf einen der Küchenstühle. Ein Urlaub schien wirklich keine so schlechte Idee. »Was
habt ihr euch denn vorgestellt?«
Mum und Dad tauschten Blicke.
»Ich könnte dich im sechzehnten Jahrhundert verstecken oder so etwas, aber da wäre es mit der medizinischen Versorgung
ein bisschen schwierig. Dich stromabwärts in die Zukunft zu
befördern wäre mir zu riskant – da würde dich SO-12 auch
schnell finden. Nein, wenn du irgendwo hingehst, dann seitwärts.«
Er setzte sich neben mich an den Tisch. »Henshaw in SO-3
ist mir noch eine Gefälligkeit schuldig. Wenn er mir ein bisschen hilft, könnten wir dich seitwärts in eine Welt schieben, wo
Landen nicht mit zwei Jahren ertrinkt.«
»Das wäre möglich?« fragte ich, plötzlich voller Hoffnung.
»Sicher. Aber so ganz einfach ist das nicht. Es wäre ziemlich
… anders.«
Meine Euphorie sank in sich zusammen. Meine Kopfhaut
begann zu kribbeln. »Wie anders?«
»Ziemlich anders. Du wärst nicht bei SO-27. Genauer gesagt,
es gibt gar kein SpecOps. Der Zweite Weltkrieg endet 1945, und
der Krimkrieg dauert nur bis 1854.«
»Ich verstehe. Kein Krimkrieg. Heißt das, Anton ist noch am
Leben?«
»Ja, in der Tat.«
»Dann lass uns das doch machen, Dad, bitte!« . Er legte seine
Hand auf meine und drückte sie. »Das ist noch nicht alles, mein
Schatz. Es ist deine Entscheidung, deshalb musst du ganz genau
wissen, worum es geht. Es wird alles weg sein. Alle Arbeit, die
du je getan hast und tun wirst. Es wird keine Dodos, keine
Neandertaler, keine Will-Speak-Maschinen, keine Gravitube –«
»Keine Gravitube? Wie kommen die Leute denn dann nach
Japan?«
»Mit sogenannten Jets. Das sind große Passagierflugzeuge,
die in zehn Kilometer Höhe mit drei Vierteln der Schallgeschwindigkeit fliegen – manche sogar noch schneller.«
Es war eine absolut lächerliche Idee, und das sagte ich ihm
auch.
»Ich weiß, es ist ziemlich verrückt, aber du wirst gar nichts
anderes mehr kennen. Die Gravitube wird dir dort genauso
unmöglich vorkommen wie Düsenflugzeuge uns hier.«
»Was ist mit den Mammuts?«
»Gibt's nicht – aber dafür gibt's Enten.«
»Goliath?«
»Unter anderem Namen.«
Es entstand eine Pause.
»Gibt es Jane Eyre?«
»Ja«, seufzte mein Vater. »Jane Eyre gibt es immer.«
»Und Turner? Wird er immer noch The Fighting Temeraire
malen?«
»Ja, und Carravaggggio gibt es dort auch, er wird bloß ein
bisschen intelligenter geschrieben.«
»Worauf warten wir dann noch?«
Mein Vater schwieg einen Augenblick. »Es gibt einen Haken.«
»Was für einen Haken?«
Er seufzte. »Landen wird zwar wieder da sein, aber ihr seid
euch nie begegnet. Landen wird dich nicht einmal kennen.«
»Aber ich werde ihn kennen. Ich kann mich doch einfach mit
ihm bekannt machen, oder?«
»Thursday, du wirst nicht mehr die sein, die du jetzt bist. Du
wirst außerhalb deiner selbst sein. Du wirst zwar noch Landens
Kind im Leib tragen, aber von der Verschiebung wirst du nichts
wissen. Du wirst von deinem alten Leben nichts wissen. Wenn
du dich seitwärts verschieben lässt, um ihn wieder zu sehen,
dann wirst du eine neue Gegenwart und eine neue Vergangenheit haben. Um ihn sehen zu können, musst du widersinnigerweise auf jede Erinnerung an ihn verzichten – ganz zu schweigen davon, dass er nichts
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