02_In einem anderen Buch
erklärte ich ihnen, als Miss Havisham die Motorhaube wieder schloss und sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Aber es half nichts. Wieder jagte sie den Motor
hoch und ließ die Gäste des Cafés in einer blauen Abgaswolke
zurück.
»Viel besser!« triumphierte Miss Havisham. »Kannst du es
hören? Viel besser!«
Alles, was ich hörte, war das Jaulen einer Polizeisirene. Ein
Streifenwagen war hinter uns her.
»Oh, verdammt!« murmelte ich. Miss Havisham versetzte
mir einen schmerzhaften Schlag auf den Arm.
»Au!« sagte ich. »Womit hab ich das jetzt verdient?«
»Hör auf zu fluchen! Wenn ich etwas noch mehr als Männer
hasse, dann ist es Gotteslästerung – aus dem Weg, ihr elenden
Heiden!«
Eine Gruppe von Frauen an einem Fußgängerüberweg zerstreute sich hastig, als Miss Havisham auf sie zuschoss und
dabei mit der Faust drohte. Hinter uns sah ich jetzt das Blaulicht des, Streifenwagens. Die Sirene war ohrenbetäubend.
Aber Miss Havisham dachte gar nicht daran zu halten. Sie
schaltete herunter und legte sich in die Kurve. Nur knapp
verfehlte sie einen Kinderwagen und die dazugehörige Mutter
und landete auf einem Parkplatz. Erst gab sie Gas, um der
Polizei zu entkommen, aber der Ausgang war durch einen
Lieferwagen blockiert. Daraufhin trat sie abrupt auf die Bremse,
machte einen Powerslide und raste in der Gegenrichtung davon.
»Sollten wir nicht lieber anhalten?« fragte ich vorsichtig.
»Unsinn, Mädel!« bellte Miss Havisham und suchte nach einem Ausweg. Die Polizei war uns schon wieder dicht auf den
Fersen. »Zum Schlussverkauf muss man pünktlich sein! Halt
dich fest, Mädel!«
Vor uns lag ein Fußweg, der mit Zementblöcken abgesperrt
war. Nur an einer Stelle schien eine Lücke zu sein. Sie war viel
zu schmal für mein Auto.
Aber Miss Havishams Augen schienen schärfer als meine zu
sein: Wir schossen genau durch die Lücke, holperten über eine
grasbewachsene Böschung an einer Statue von Brunel vorbei
und gelangten auf eine Seitenstraße der Fußgängerzone, die wir
in falscher Richtung durchfuhren. Und gerade als die Turmuhr
zwölf Uhr schlug, hielten wir mit kreischenden Bremsen neben
der Menschenmenge, die sich vor dem Eingang zur Swindoner
Buch-und Antiquariatsmesse drängte.
»Sie hätten beinahe acht Leute überfahren!« keuchte ich
mühsam.
»Ich habe mindestens zwölf gezählt«, sagte Miss Havisham
fröhlich und stieß die Wagentür auf. »Und beinahe kann man
sowieso niemanden überfahren. Entweder du erwischst sie oder
du erwischst sie nicht, und kein Einziger hat auch nur einen
Kratzer abgekriegt, oder?«
Inzwischen war auch die Polizei eingetroffen. Der Streifenwagen hatte tiefe Kratzer und Beulen auf beiden Seiten, was
vermutlich mit den beiden Zementblöcken zu tun hatte.
»Ich bin mehr an meinen Bugatti gewöhnt«, sagte Miss Havisham, als sie mir den Schlüssel zurückgab und ausstieg, »aber
der Wagen ist gar nicht so übel. Besonders gefällt mir die Gangschaltung.«
Ich kannte die beiden Polizeibeamten, die jetzt auf uns zukamen. Sie sahen wenig vergnügt aus. Die örtlichen Polizeibehörden mochten SpecOps ohnehin nicht, und wir erwiderten
diese Gefühle. Einem von uns etwas anzuhängen bereitete ihnen
stets das größte Vergnügen. Jetzt betrachteten sie Miss Havisham mit strengen Augen, schienen allerdings vorläufig noch
unsicher, wie sie ihre Empörung über deren offensichtliche
Missachtung der Straßenverkehrsordnung in angemessene
Form kleiden sollten.
»Sie«, sagte einer der beiden Beamten mit kaum unterdrückter Wut in der Stimme, »Sie haben ganz schön Ärger, Madam!«
Miss Havisham sah den jungen Beamten ziemlich herablassend an. »Junger Mann«, sagte sie hoheitsvoll, »Sie wissen ja gar
nicht, wovon Sie reden.«
»Hören Sie, Rawlings«, versuchte ich zu vermitteln und stieg
aus dem Wagen, »können wir –«
»Miss Next«, erklärte der Beamte mit Entschiedenheit, »Sie
kommen gleich dran, okay?« Er wandte sich erneut an Miss
Havisham: »Name?«
»Ich bin La Dame-rouge«, log sie mit spektakulärer Frechheit. »Und nach meinem Führerschein und meiner grünen
Versicherungskarte fragen Sie bitte gar nicht erst – so etwas
habe ich nicht.«
Darüber musste der Beamte erst einmal nachdenken.
»Würden Sie sich bitte in unseren Wagen setzen, Madam!«
sagte er schließlich. »Wir müssen Sie zur Befragung mit aufs
Revier nehmen.«
»Stehe ich unter Arrest?«
»Wenn Sie sich weigern mitzukommen
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